Bundespräsident plädiert für Wehrpflicht„Das Recht des Stärkeren in seiner ganzen Rohheit“

Lesezeit: 2 Min.

Die  103-jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer empfängt am Freitag in Münster von Frank-Walter Steinmeier den „Sonderpreis des Internationalen Preises des Westfälischen Friedens“.
Die  103-jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer empfängt am Freitag in Münster von Frank-Walter Steinmeier den „Sonderpreis des Internationalen Preises des Westfälischen Friedens“. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

In Münster verleiht Bundespräsident Steinmeier einen „Westfälischen Friedenspreis“ – und spricht sich für Aufrüstung aus.

Von Christian Wernicke, Münster

Für ein Europa der Verteidigung, für Aufrüstung und für eine Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag plädiert. Bei der Westfälischen Friedenskonferenz in Münster warb Steinmeier für eine Allianz williger europäischer Nationen neben der EU, allen voran nannte er Frankreich, Polen und Großbritannien als deutsche Partner. „Wer immer mitmacht, ist willkommen“, sagte der Präsident, „und wer nicht mitmachen will, soll uns jedenfalls nicht aufhalten.“

Noch einen Schritt weiter ging im Festsaal des Rathauses von Münster der frühere Außenminister Joschka Fischer. Europa müsse in der Lage sein, Aggressoren wie etwa Russland abzuschrecken; dies sei in der EU bisher jedoch zu oft am Widerstand einzelner Staaten gescheitert. „Dann wird es auf eine Neugründung der EU hinauslaufen“, sagte der Grüne. „Das heißt dann coalition of the willing.“ Die Zeit deutsch-amerikanischer Freundschaft hält Fischer für vergangen: „Freundschaft mit einer Trump-Regierung kann ich mir nicht vorstellen. Partnerschaft ja.“

Das Recht des Stärkeren kehre „in seiner ganzen Rohheit zurück“, sagt Steinmeier

In seiner Grundsatzrede sprach Präsident Steinmeier von einem unerwarteten „doppelten Epochenbruch“, den die Bundesrepublik derzeit erlebe: einerseits der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, andererseits die Veränderungen seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump, die die Vereinigten Staaten „grundstürzend“ veränderten. Diese Disruption führe dazu, dass nicht mehr die Stärke des Rechts gelte, sondern „das Recht des Stärkeren in seiner ganzen Rohheit zurückkehrt“. Auch in Europa breite sich längst eine „neue Faszination des Autoritären“ aus.

In dieser Lage müssten die Europäer sich auf sich selbst besinnen, fuhr Steinmeier fort: „Wir müssen uns um uns und unseren Schutz verstärkt selber kümmern.“ Er sei deshalb froh, dass der Bundestag den Weg frei gemacht habe für höhere Ausgaben für Bundeswehr und äußere Sicherheit: „Europa braucht auch deutsche Streitkräfte, die mit modernster Ausrüstung und größerer Personalstärke glaubwürdig zur Abschreckung beitragen.“ Die deutsche Gesellschaft müsse resilienter werden: „Und der Gedanke über eine jeden treffende Pflicht, unserem Land – sei es bei den Streitkräften oder in sozialen Einrichtungen – eine Zeit lang zu dienen, gehört meines Erachtens dazu.“

Steinmeiers Appell an deutsche Politik: „die Realitäten zu verändern, statt sie laufend zu kommentieren“

Steinmeier forderte für Deutschland eine aktive Außenpolitik: „Wir dürfen Diplomatie nicht den Autokraten dieser Welt überlassen.“ Das verlange, „keine Angst zu haben vor den Realitäten, und eher zu versuchen, die Realitäten zu verändern, statt sie laufend zu kommentieren“.

MeinungNato
:Die Schutzmacht will nur noch Dienstleister sein

SZ PlusKommentar von Hubert Wetzel
Portrait undefined Hubert Wetzel

Der Präsident appellierte an Europa, nun „Willen zur Selbstbehauptung“ zu beweisen: „Alles beginnt damit, dass wir uns nicht ständig selbst in eine randständige Rolle am Katzentisch der Weltbühne hineinreden. Dass wir uns auch nicht ständig selbst unterschätzen.“ Es gelte, „im globalen Gegenwind“ das eigene Modell zu verteidigen.

Zum Ende seiner Rede überreichte Steinmeier einen „Sonderpreis des Westfälischen Friedens“ an die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. Die 103-jährige Berlinerin war im Alter von 88 Jahren aus den USA nach Deutschland zurückgekehrt und sucht bis heute Gespräche mit Jugendlichen und Schulkindern, um vor Rassismus, Diktatur und Gewalt zu warnen. Der Bundespräsident präsentierte Friedländer dem Publikum im Saal als Vorbild. „Wir leben in schweren Zeiten“, sagte Steinmeier, aber: „Wir haben dabei heute eine Frau unter uns, die schwerste Zeiten erlebt und das schwerste Menschheitsverbrechen überlebt hat.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Computerspiel
:Gaming gegen das Vergessen

In einem Computerspiel können sich Jugendliche auf die Spuren des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer begeben. An der Entwicklung waren auch Dachauer Gymnasiasten beteiligt.  Kann man damit die Erinnerung erhalten?

SZ PlusVon Marie Heßlinger

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: