Steinmeier und der Agenda-Streit:Der ewige Kanzleramtsminister

Er gilt als "ehrlicher Makler" und hat die Agenda 2010 gemeinsam mit Altkanzler Schröder ausgearbeitet. Nun bietet sich Frank-Walter Steinmeier - mittlerweile Außenminister - als Versöhner im SPD-Streit an. Damit riskiert er sein eigenes Profil.

Nico Fried

Wenn's eng wird in einem politischen Konflikt, dann meldet sich irgendwann die Stimme der Vernunft. Im Fall des Streits in der SPD über die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes reklamiert nun offenbar Frank-Walter Steinmeier, der Außenminister und Kandidat für das Amt eines Vize-Parteivorsitzenden, diese Stimme für sich.

Mit einer bemerkenswerten Portion Pathos hat sich Steinmeier am Dienstag, nach mehr als einer Woche nichtssagender Kurzstatements, in einem Interview zu Wort gemeldet und sich öffentlich als Brückenbauer zwischen Parteichef Kurt Beck und Vizekanzler Franz Müntefering angedient. Auch in der Sache selbst hat Steinmeier dabei Position bezogen - und zwar mit einem eindeutigen "Sowohl-als-auch".

Der Bild-Zeitung ist zu entnehmen, dass Steinmeier einerseits die Haltung Münteferings teilt, es solle kein Zurück in der Reformpolitik geben. "Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als würde es mit der SPD einen Aufbruch zu alten Ufern gebe", sagte Steinmeier.

Andererseits könne er den Weg von Kurt Beck, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere zu verlängern, auch mitgehen - vorausgesetzt, sie werde "in den richtigen Zusammenhang gesetzt". Der besteht für Steinmeier darin, der Finanzierung von Arbeit weiter Priorität vor der Finanzierung von Arbeitslosigkeit zu geben. Das kann in der SPD im Prinzip jeder unterschreiben, auch wenn jeder etwas anderes damit meint. Trotzdem soll daraus nun ein Vorschlag werden, "der die SPD insgesamt stärkt".

In gewisser Weise ist Steinmeier für einen solchen Job durchaus prädestiniert. Sechs Jahre lang hat er in der rot-grünen Regierung als Chef des Kanzleramts von Gerhard Schröder die meiste Zeit Konflikte moderiert: zwischen den Koalitionsparteien, zwischen den SPD-Ressorts und wo es sonst noch krachte.

Ruf des ehrlichen Maklers

In dieser Zeit hat sich Steinmeier laut Urteil vieler Beteiligter einen untadeligen Ruf als ehrlicher Makler erworben, der, wie es Fraktionschef Peter Struck einmal formulierte, "nie jemanden beschissen hat". Wer wäre besser geeignet, zwischen Beck und Müntefering zu vermitteln? Faktisch bietet Steinmeier nun an, noch einmal in die alte Rolle zu schlüpfen - der ewige Kanzleramtsminister.

Allerdings war Steinmeier auch maßgeblich an der nun so umstrittenen Agenda 2010 beteiligt. Deshalb leidet sein Plädoyer für einen fairen Ausgleich auch am Verdacht, dass sich da einer gehörig auf die Zunge beißt, um nicht auszusprechen, was er wirklich denkt. Immerhin hat Steinmeier erst vor wenigen Wochen mit Finanzminister Peer Steinbrück und Ex-Parteichef Matthias Platzeck ein glasklares schriftliches Bekenntnis zur Fortsetzung der Agenda 2010 vorgelegt. Von einer Verlängerung des Arbeitslosengeldes war da nirgends die Rede.

Ein Motiv für Steinmeiers Mediatoren-Kurs liegt auf der Hand: Schon wegen seiner Afghanistan-Politik steht der Außenminister unter Druck. Der SPD-Parteitag soll seiner Forderung zustimmen, für die Bundeswehr auch das umstrittene Anti-Terror-Mandat Enduring Freedom zu verlängern. Das wird schwer genug.

Böte er den Delegierten nun noch eine zweite offene Flanke, könnte dem Parteivize-Kandidaten ein unerfreuliches Ergebnis drohen. Steinmeier kann nun darauf spekulieren, für seine Rolle als selbsternannter Friedensstifter von der SPD belohnt zu werden - muss aber gleichzeitig in Kauf nehmen, dann neben Andrea Nahles und Peer Steinbrück der stellvertretende Parteichef mit dem verwaschensten politischen Profil zu sein.

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