Bundespräsident:Fehler bereuen, Lehren ziehen

Bundespräsident: Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2009, damals war er noch Außenminister, zusammen mit Wladimir Putin (links).

Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2009, damals war er noch Außenminister, zusammen mit Wladimir Putin (links).

(Foto: Thomas Koehler/Imago)

Steinmeier hat Irrtümer im Umgang mit Putin eingeräumt und fragt sich, wann Deutschland seinen Kurs hätte ändern müssen. Dem ukrainischen Botschafter geht das Eingeständnis nicht weit genug.

Von Robert Roßmann, Berlin

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, hat das Eingeständnis des Bundespräsidenten, in der Russland-Politik Fehler gemacht zu haben, als "ersten Schritt" begrüßt. Er forderte Frank-Walter Steinmeier aber auf, seinen Aussagen auch Taten folgen zu lassen. Er würde sich schon wünschen, "dass der Bundespräsident jetzt nicht nur diese Reue zeigt, sondern dass er auch von der Bundesregierung als Staatschef verlangt, die Lehren zu ziehen aus dem Massaker von Butscha, aus anderen Gräueltaten, die wir Tag und Nacht jetzt in der Ukraine erleben", sagte Melnyk dem Deutschlandfunk. Es müsse endlich schärfere Sanktionen gegen Russland geben, zum Beispiel ein Energieembargo.

Sein Festhalten an der Pipeline Nord Stream 2 sei "eindeutig ein Fehler" gewesen, hatte Steinmeier am Montag gesagt. Außerdem habe er sich in seiner Einschätzung des russischen Präsidenten Wladimir Putin "geirrt". Der Bundespräsident gestand auch ein, dass es aus Partnerstaaten - vor allem im Osten Europas - schon lange Warnungen vor Putin und Kritik an der Pipeline gegeben habe. Steinmeier war als Angela Merkels Außenminister und Gerhard Schröders Kanzleramtschef fast 15 Jahre lang für die deutsche Russland-Politik mitverantwortlich.

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Der Bundespräsident stellt sich jetzt die Frage, wann Deutschland seinen Kurs hätte ändern müssen. Er ist der Auffassung, dass der Putin des Jahres 2022 nicht derselbe wie der von 2001 ist. Damals hatte der russische Präsident im Bundestag gesprochen - und viele hatten die Hoffnung, Putin sei auf einem demokratischen Weg. Die Abgeordneten, unter ihnen Angela Merkel, Gerhard Schröder und der heutige CDU-Chef Friedrich Merz, applaudierten Putin stehend. Dabei hatte der russische Präsident damals schon Krieg in Tschetschenien führen lassen.

Steinmeier glaubt, dass Putin sich "auf der Strecke" zwischen 2001 und 2022 deutlich verändert habe. Im Bundespräsidialamt ist man zum Beispiel der Auffassung, dass Putin, nachdem er nach einem Intermezzo als russischer Ministerpräsident im Jahr 2012 erneut zum Präsidenten gewählt worden war, verändert aufgetreten sei. Steinmeier nimmt für sich in Anspruch, spätestens seit der Annexion der ukrainischen Krim durch Russland 2014 erheblich distanzierter gegenüber Moskau agiert zu haben.

"Lieber Sergej", sagte Steinmeier zu Lawrow

Allerdings hat Steinmeier noch 2016 bei einer Rede im russischen Jekaterinburg gesagt, dass die Annexion der Krim kein Grund sei, "einander den Rücken zuzukehren - im Gegenteil: Es ist umso mehr Grund, alle Anstrengungen darauf zu richten, sich nicht zu verlieren oder gar zu entfremden." Deshalb sei er "gern" nach Jekaterinburg gekommen. Zum Auftakt seiner Rede hatte er den russischen Außenminister Lawrow mit "lieber Sergej" begrüßt. Heiko Maas, Steinmeiers Nach-Nachfolger als Bundesaußenminister, ging schon bei seinem ersten Besuch in Moskau 2018 deutlich distanzierter mit Lawrow um.

Steinmeier verteidigte außerdem noch im vergangenen Jahr Nord Stream 2 nicht nur mit dem Argument, dass die Energiebeziehungen fast die letzte verbliebene Brücke zwischen Russland und Europa seien. Steinmeier verwies auch darauf, dass Deutschland die historische Dimension im Blick behalten müsse und erinnerte daran, dass "mehr als 20 Millionen Menschen der damaligen Sowjetunion" dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen seien.

Diese Argumentation hatte schon damals zu einem erbitterten Protest des ukrainischen Botschafters geführt. Melnyk warf Steinmeier vor, "durch die abwegige Gleichsetzung Russlands mit der Sowjetunion" die Millionen Kriegstoten in der damals zur Sowjetunion gehörenden Ukraine einfach ignoriert zu haben.

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