Steinmeier in Israel:Vier Orden und ein Abschied

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verleiht im Peres Center das Bundesverdienstkreuz am Bande an die Holocaust-Überlebende Regina Steinitz (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Zum Auftakt seines Besuchs in Israel zeichnet der Bundespräsident vier Israelis aus - und überrascht mit seinem altneuen Ruf nach einer Zwei-Staaten-Lösung. Ein Besuch zwischen Gestern und Morgen, bei dem er auch zu einem engen Freund Adieu sagt.

Von Stefan Braun, Tel Aviv

Das hat sich der Bundespräsident in den Kopf gesetzt. Unverkennbar. Kaum steht Frank-Walter Steinmeier im Amtssitz seines israelischen Kollegen vor den Mikrofonen, da platziert er seine Botschaft. Nein, der israelisch-palästinensische Konflikt sei "nicht beruhigt" und werde auch "nicht verschwinden", sagt Steinmeier. Eigentlich ist Steinmeier gekommen, um seinem Kollegen und Freund Reuven Rivlin Adieu zu sagen. Herzlich, zugewandt, sich der Nähe versichernd. Doch diesen Punkt will er machen. Nach dem Motto: Vergesst nicht, dass eine gute Zukunft nur mit der Zwei-Staaten-Lösung möglich sein wird.

Nun mag Steinmeier das nach wie vor denken. Richtig ist aber auch, dass diese Idee in Israel immer weniger Fürsprecher hat. Und das gilt seit geraumer Zeit auch für nachdenkliche Israelis wie Rivlin. Umso mehr steht dem die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Bis die beiden sich ihrer Freundschaft versichern - und anderen Themen zuwenden.

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Seine erste Etappe hat den Bundespräsidenten noch am Mittwochabend zu engen Freunden geführt. Kaum gelandet am Flughafen in Tel Aviv, geht es zum Peres Center for Peace and Innovation. Direkt am Meer gelegen, im mehrheitlich von arabischen Israelis bewohnten Jaffa, erinnert das vom früheren Staatspräsidenten Schimon Peres gegründete Zentrum an jene Friedensinitiative, die Anfang der neunziger Jahre eine leider nur sehr kurze Phase größter Hoffnung auslöste. Ein guter Ort zum Ankommen, der sich auch im Hier und Heute um Annäherung und Verständigung zwischen Palästinensern und Israelis kümmert.

Kein Wunder, dass es Steinmeier hierherzieht, noch dazu an diesem Abend, an dem die sanfte rote Sonne allzu malerisch im Meer versinkt. In den Räumen des Peres Center möchte der deutsche Präsident vier Israelis auszeichnen. Zwei Frauen und zwei Männer, die ihm seit Jahren als persönliche Vorbilder dienen. In einer kurzen Ansprache würdigt er ihre Bedeutung. "Gute Menschen wie Sie sind es, die uns zurück zum Guten führen, wenn wir straucheln und vom Weg abkommen", schwärmt Steinmeier. Alle vier haben sich der Erinnerung an die Shoa verschrieben; alle vier aber sind für den Bundespräsidenten längst auch Mahner in der Gegenwart geworden. Einer Gegenwart mit Antisemiten, Rechtsextremisten und einer mindestens teilweise rechtsradikalen Partei in Deutschland. "Arbeit wie Ihre ist unser Unterpfand, nicht zu vergessen."

"Ich danke Gott, dass es Ihre Stimme gibt"

Da ist als Erstes Regina Steinitz, mehr als neunzig Jahre alt. Nach der Flucht des Vaters und dem Tod der Mutter überlebt sie zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Ruth Krieg und Verfolgung, hat immer wieder Glück in zahlreichen Verstecken - und beschließt im Alter von siebzig Jahren, doch noch öffentlich über ihre Geschichte zu sprechen. In Schulen, an Universitäten, bei öffentlichen Auftritten. "In meinem Leben", sagt Steinmeier, ihr zugewandt, "war mir kaum etwas eine so große Ehre wie Ihre Freundschaft. Ich danke Gott, dass es Ihre Stimme gibt."

Da ist außerdem Avner Shalev, der langjährige Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. 1939 in Jerusalem geboren, geht er mit siebzehn in die israelische Armee. Später wechselt er ins Ministerium für Kultur und Erziehung, wird Vorsitzender des Nationalen Kulturausschusses - bis er 1993 Leiter von Yad Vashem wird. "Ich bin hier, um Ihnen für Ihre langjährige Arbeit zu danken", sagt Steinmeier, "und für Ihre vielen Gesten der Güte, der Freundschaft und der Versöhnung."

Dann ist da die Künstlerin Michal Rovner, 1957 in Tel Aviv geboren. Sie arbeitet vor allem mit Videoinstallationen, aber auch mit Fotografien, Skulpturen und Illustrationen. Berühmt wurde ihre Installation "I Still See Their Eyes" in Yad Vashem. Ihre Installationen würden den Ermordeten eine Stimme und ein Gesicht geben, sagt Steinmeier. Durch ihre Arbeit hätten die schmerzvollen Erinnerungen, die Israel und Deutschland miteinander verbänden, "Raum und Form" erhalten. "Hierfür sind wir Ihnen zutiefst dankbar."

Und schließlich ist da der Schriftsteller David Grossman. Ihn traf Steinmeier über die Jahre immer wieder. "In schlechten Zeiten, in guten Zeiten, auch in für Sie sehr schmerzvollen Zeiten", wie der Bundespräsident berichtet. Mit seinen Schriften habe Grossman, der den eigenen Sohn bei einem Militäreinsatz in Libanon verlor, "viele Fenster in die Seele Israels geöffnet". Mit allem, was er künstlerisch tue, stemme er sich dagegen, "dass eine düstere Vergangenheit uns in eine ebenso düstere Zukunft zwingt".

Am Ende stehen alle vier mit Steinmeier zusammen, um sich fotografieren zu lassen. Alt und stolz und aufrecht.

Wie die nähere Zukunft Israels weitergehen wird, ob also die neue Acht-Parteien-Koalition länger halten wird, als hier viele unken, weiß niemand zu sagen. Steinmeier aber versucht das in den drei Tagen zu erspüren. Dazu traf er den neuen Premier Naftali Bennett; sprach anschließend mit dem Architekten des Bündnisses, Außenminister Yair Lapid. Und führte außerdem ein Gespräch mit dem designierten Staatspräsidenten Isaac Herzog. Alle drei Gespräche hatten freilich eines gemeinsam. Es gab anschließend keine öffentlichen Auftritte mit ihnen.

Mindestens so wichtig wie diese Gespräche ist Steinmeier dieses Mal ohnehin sein eigentlicher Gastgeber: Reuven Rivlin, der scheidende Präsident Israels. In ziemlich genau einer Woche wird Rivlin sein Amt räumen. So gesehen hat es Steinmeier gerade so geschafft, die seit anderthalb Jahren offene Einladung zu einem Staatsbesuch doch noch anzunehmen. Am Donnnerstag besuchten sie das Grab von Theodor Herzl und sprachen mit dem Direktor der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Am Freitag steht noch eine gemeinsame Visite in der Wüste an. Dorthin, wo für Israel so ziemlich alles anfing.

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