Steinmeier in Zentralasien:Strategien an der Seidenstraße

Der Außenminister hat bei seinem Besuch in Zentralasien mit langjährigen Autokraten und einer wackeligen Demokratie zu tun. Manchmal wird dabei sogar Klartext geredet.

Von Stefan Braun

Drei Staaten in drei Tagen - der deutsche Außenminister tourt durch Zentralasien. Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan - alle drei gehörten einst zum Sowjetreich und kämpfen seit ihrer Unabhängigkeit Anfang der 90er-Jahre darum, wirklich selbständig zu werden. Obwohl die Länder im Schatten der großen Konflikte liegen, bleibt ihre Lage prekär. Zu nah sind die Kriege in Syrien und Afghanistan; zu bedrohlich wirkt der islamistische Terrorismus; zu groß sind Russland und China, die viel unternehmen, um entlang der alten Seidenstraße ihren Einfluss auszudehnen.

Vom großen Spiel, dem "Great Game", sprachen vor gut 150 Jahren die Briten, als sie hier mit Russland um die Vorherrschaft stritten. Den Begriff würde der deutsche Außenminister nie verwenden. Trotzdem geht es auch ihm im Jahr 2016 um Einfluss. Zum Auftakt seiner Visite betonte er in Taschkent: "Zentralasien ist nicht nur wichtig, es ist von strategischer Bedeutung - politisch, wirtschaftlich, sicherheitspolitisch." Usbekistan ist reich an Gas-Vorkommen, gehört zu den weltgrößten Baumwoll-Exporteuren. Kirgistan verfügt über Gold und Wasser. Und Tadschikistan ist zwar bettelarm, hat aber eine lange Grenze zu Afghanistan. Deshalb will Berlin die Region nicht anderen überlassen.

Taschkent

Die usbekische Hauptstadt wuchert mit sattem grünem Rasen, grünen Büschen, blühenden Bäumen - und vielen Straßenzügen, die noch immer sehr sozialistisch anmuten. Immer gleiche Klinker-Plattenbauten; Straßenschneisen, die sich durch die Stadt schneiden; dazu Hotels, Büros, Regierungsgebäude, die mit ihren blauen Scheiben kalt und abstoßend wirken. Und doch erscheint vieles gepflegter als in den meisten Staaten des Mittleren Ostens. Die Fassade freilich ist nur das eine. Dahinter verbergen sich wirtschaftliche Probleme und politische Unterdrückung. Auch Usbekistan leidet unter dem Fall der Gaspreise; die Baumwolle bringt weniger ein, seit Vorwürfe über Zwangsarbeit europäische Abnehmer vertrieben haben. Amnesty International spricht von Tausenden politischen Gefangenen. Und über allem thront ein Präsident, der das Land seit 1991 mit eiserner Hand führt. Islam Karimow hat mehrmals die Verfassung geändert, um an der Macht zu bleiben. Er sieht sein Land im Kampf gegen islamistische Terroristen.

Kurzbesuch in der mächtigen "Weißen Moschee" von Taschkent, einem neu er-richteten Prachtbau, finanziert von regimetreuen Sponsoren. Der offizielle Reiseführer schwärmt von der Großzügigkeit des Präsidenten und betont, wie sehr die Gläubigen die Moschee annehmen würden. An diesem Morgen allerdings verlieren sich gerade eine Handvoll Betende in dem Gebäude. Die einzigen, die hier wirklich entspannt wirken, sind ein paar Jungs, die auf dem Vorplatz selbstgebastelte Drachen so schnell über den Himmel sausen lassen, dass ihr Knattern an Formel-1-Boliden erinnert. Dann lächeln die Jungs besonders stolz.

Zentralasien

... besteht aus Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan.

Nach dem Treffen mit dem Präsidenten berichtet Steinmeier, sie hätten darüber geredet, wie man islamistischen Radikalisierungstendenzen vorbeugen könnte. Dass dabei auch Demokratie und Menschenrechte helfen könnten, will Steinmeier nicht wirklich hervorheben. Er erwähnt es - im letzten Satz seines Auftritts.

Bischkek

Im Zeremonienzimmer des Außenministers von Kirgistan. An der Wand eine Fotografie des heiligen Berges Khan-Thengri. Er ist wunderschön, aber auch steil und zerklüftet. Kein schlechtes Bild für eine junge Demokratie, die ächzt und wackelt. Zumal der Fortschritt mühsam bleibt an diesem Abend. Der deutsche Außenminister sitzt neben seinem Amtskollegen Erlan Abdyldaev, gerade haben die beiden eine Erklärung zum Fortbestand einer OSZE-Akademie in Bischkek unterschrieben. Mehr war offenbar nicht möglich. Und jetzt muss Steinmeier Geduld beweisen. Denn sein Gastgeber sagt nicht nur ein paar freundliche Worte. Er hat beschlossen, einen recht langen Text vorzulesen. Erst lächelt Steinmeier höflich, dann wird er ungeduldig. Schließlich linst der Gast aufs Manuskript seines Nachbarn, vielleicht kann er so erkennen, wann Schluss ist. Doch als Abdyldaev tatsächlich ein Ende findet, muss erst die Dolmetscherin noch zehn Minuten Floskeln wie "gute Gespräche" und "Hoffnung auf Zusammenarbeit" übersetzen. Die Demokratie ist wechselhaft hier, 2005 und 2010 hat sie heftige Umstürze überleben müssen. Kein Wunder, dass Abdyldaev Momente wie diese voll auskosten möchte.

Dazu ist die wirtschaftliche Lage schlecht. Die Landwirtschaft darbt. Die Gewinne aus der einzigen Goldmine stagnieren. Und die Deviseneinnahmen durch die eine Million Kirgisen, die in Russland arbeiten, haben sich zuletzt halbiert, weil Russland selbst schwer kämpft mit seiner Wirtschaftskrise. Und damit wächst die Gefahr, dass der Demokratie irgendwann die Leute davonlaufen. Den Eindruck jedenfalls hat zuvor Präsident Almazbek Atambajew vermittelt.

Steinmeier in Zentralasien: SZ-Grafik

SZ-Grafik

Überhaupt hat Moskau hier wieder großen Einfluss. Auf russischen Druck hat Kirgistan einen US-Stützpunkt aufgekündigt. Außerdem lockte Moskau Bischkek in die Eurasische Zollunion, was den Handel mit China belastet. Dazu tobt ein Streit mit den Nachbarn, um Grenzverläufe und ums Wasser. Während Kirgistan es für die Stromerzeugung benötigt, wollen die im Sommer dürregeplagten Tadschiken nicht verdursten und die Usbeken ihre Baumwolle wässern. Der Konflikt dauert nun schon Jahre.

Zum Abschied bittet Abdyldaev eindrücklich um Hilfe. "Wir wollen offen und demokratisch bleiben, aber Demokratie darf nicht arm sein." Steinmeier nickt entschlossen. Die Menschen bräuchten das Gefühl, dass "sich Demokratie lohnt", sagt der Deutsche. Allerdings sei dafür nicht der Staat zuständig. Die Unternehmer müssten Appetit bekommen, sich zu engagieren. In kirgisischen Ohren dürfte das ziemlich kühl klingen. Also fügt Steinmeier ein Lob an. Seine Gespräche hätten gezeigt, dass offene Debatten ein Schutz sein können gegen Islamismus und Radikalismus. Ein Hinweis, der auch in Taschkent nicht schlecht gewesen wäre.

Duschanbe

Die Hauptstadt Tadschikistans, dem ärmsten Land Zentralasiens. Wenn die Usbeken große Probleme haben und viele Kirgisen bettelarm sind, dann ist die Lage für die meisten hier noch schlimmer. Emomali Rachmon, der mächtige Alleinherrscher seit 1994, zeigt sich gleichwohl in voller Größe. In Taschkent und Bischkek wäre derlei unmöglich gewesen, doch hier posiert der Präsident stolz vor den Gästen aus Deutschland.

Das Jackett spannt, der Blick ist streng, dazu eine demonstrative Rückenlage und buschige Augenbrauen, die an den jüngeren Leonid Breschnew erinnern. Der 63-Jährige weiß, wie Selbstbewusstsein aussieht. Er residiert in einem riesenhaften Palast auf leichter Anhöhe, unter den Kronleuchtern drinnen werden selbst Großgewachsene zu kleinen Leuten.

Auch Rachmon kämpft gegen Islamisten. Er tut es auf seine Weise, ziemlich brutal und rigide, und hat sogar eine ganze Partei eingebuchtet. Vorwurf: alle seien Terroristen. Wie groß die Gefahr tatsächlich ist, lässt sich kaum sagen. Die Nähe zu Afghanistan macht hier genauso Angst wie die Tatsache, dass immer wieder Männer verhaftet werden, die Anschläge geplant haben sollen. Dass Steinmeier deshalb auch hier viel über den Kampf gegen Extremisten redet, kann nicht überraschen. Was daraus aber konkret folgen könnte, bleibt im Dunkeln. Beim abschließenden Kurzauftritt vor der Presse verhindert die tadschikische Seite alle Nachfragen.

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