Steinmeier in München:Der Mut der Vielen

Kämpferischer Wahlkampf: Frank-Walter Steinmeier fordert am Marienplatz zu Solidarität auf und warnt vor einem "Rückmarsch in die neunziger Jahre" mit Schwarz-Gelb.

Jan Bielicki

Es war ganz still abends um halb sieben auf dem Marienplatz. Nur vom Alten Peter markierten zwei Glockenschläge die halbe Stunde. Mehrere tausend Menschen auf dem Platz verharrten schweigend. Oberbürgermeister Christian Ude, begleitet von Alt-OB Hans-Jochen Vogel, war gerade auf die Bühne gestiegen, auf der die SPD ihren Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier präsentieren wollte, und hatte um eine Gedenkminute für Dominik Brunner gebeten, das Opfer der Gewalttat von Solln. Die Tat, so der OB, habe "Angst und Schrecken, Entsetzen und Empörung ausgelöst".

Kurz darauf ließ die SPD zwei junge Rapper auf die Bühne springen, die zeigten, dass Jugendliche im Hip-Hop-Stil ganz brav den Wahlsonntag als "Tag der Hoffnung" besprechsingen können.

Auch Steinmeier begann seine Rede mit dem Gedenken an den toten Dominik Brunner. "Für mich ist er ein wirklicher Held", sagte der Außenminister. Allerdings sei es "ein Schock, zu wissen, dass Dominik Brunner allein war". Dessen Mut als Einzelner "muss uns beschämen, erst wenn der Mut der vielen an seine Stelle tritt, werden wir unserer Verantwortung gerecht", forderte Steinmeier die Zuhörer zur Solidarität auf.

Erst dann ballte der SPD-Kanzlerkandidat die Fäuste und hob zu der Rede an, für die er ja nach München gekommen war, eine - sehr kämpferische - Wahlkampfrede. "Schwarz-Gelb ist nicht für Deutschland gemacht", rief er und schwor seine Anhänger darauf ein, dass dieses Schwarz-Gelb aus Union und FDP die Wahl noch nicht gewonnen habe. "Mit Rückenwind" sieht der SPD-Mann seine Partei seit den Landtagswahlen von Anfang September und seinem Fernsehduell mit der Kanzlerin: "Ich verspreche euch: Das Wahlergebnis wird ganz, ganz anders sein als die Umfragen von gestern und vorgestern." Und er beschwört Wahlkämpfe herauf, in denen die Sozialdemokraten ebenfalls ganz schlechte Umfragewerte hatten: "Das fühlt sich an wie 2002 und 2005."

Schwarz-Gelb sei "der Rückmarsch in die neunziger Jahre", drosch der SPD-Mann auf den Gegner ein. Schwarz-Gelb stehe für "die Denke, die uns in dieses Schlamassel geführt hat", für "Gier, Maßlosigkeit, Unvernunft, die Generation Ellenbogen, die Generation Bonus". Als Steinmeier den von Schwarz-Gelb als Außenminister vorgesehenen FDP-Chef Guido Westerwelle nannte, tönten Pfiffe und Buhs über den Platz. Und dann lobte der Kandidat, auch das gehört zum Wahlkampf, den eigenen, sozialdemokratischen Teil der Großen Koalition: Dass in der Krise "wir die Verwüstung in Deutschland verhindert haben, das ist unser Werk".

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