Steinmeier geht auf die Union los:Konservative holzen zurück

Kaum traut sich SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier mal aus der Deckung, bekommt er die geballte Gegenwehr des bürgerlichen Lagers zu spüren.

Thorsten Denkler, Berlin

Der Vorwurf scheint verfangen zu haben. Seit Monaten beschweren sich Sozialdemokraten aller Richtungen über die eher mittelmäßige Performance ihres Kanzlerkandidaten in Sachen Gegnerschelte. Er müsse endlich eine Schippe drauflegen, hieß es. Er solle sich mal was trauen. Namentlich genannt werden wollte keiner. Geschlossenheit ist der SPD bis jetzt noch wichtiger, als Steinmeier anzutreiben.

Steinmeier geht auf die Union los: Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.

Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.

(Foto: Foto: Reuters)

Aus Steinmeiers Umfeld hieß es immer, es sei schwierig, die Kanzlerin anzugreifen, mit der er ja schließlich noch zusammen am Kabinettstisch säße. Dieses Argument dürfte nach dem Europawahldebakel vom Sonntag selbst Steinmeier nicht mehr überzeugen. In der heutigen Bild-Zeitung grätscht er erstmals heftig in die Beine der Kanzlerin. In der Krise müsse ein Kanzler regieren und nicht moderieren, "wie die Amtsinhaberin". Die hält er offenbar für so schwach, dass die "Scharfmacher" in Union und FDP "mit ihr Schlitten fahren" würden, wenn es nach der Bundestagswahl im September zu einer schwarz-gelben Koalition komme.

Auch der in der SPD nur noch als "der Baron" bezeichnete Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bekommt von Steinmeier sein Fett weg. Es könne nicht sein, dass "der Arbeitsminister für Arbeit kämpft und der Wirtschaftsminister für Insolvenzen". Guttenberg war schon bei Opel und jetzt auch bei Arcandor eher für eine geordnete Insolvenz als für Staatshilfen.

Steinmeier sieht darin akute Illoyalität gegenüber den Bürgern. Regierende, denen es egal sei, was mit Abertausenden Arbeitsplätzen geschehe, sollten in ihrem Amtseid nachlesen, dass sie die Verpflichtung hätten, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, sagte er der Bild.

Doch kaum, dass Steinmeier mal die Deckung fallen lässt, holzen Politiker der Union zurück. Peter Müller, wahlkämpfender CDU-Ministerpräsident im Saarland, sagte im Deutschlandfunk, die Kritik Steinmeiers sei "natürlich dummes Zeug". Sie habe "möglicherweise etwas damit zu tun, dass der Herr Steinmeier nach der Europawahl etwas nervös geworden ist". Die SPD hatte am Sonntag mit 20,8 Prozent ihr historisches Tief bei einer bundesweiten Wahl von 2004 noch unterboten.

Der CDU-Fraktionsvize im Bundestag, Wolfgang Bosbach, wird im Gespräch mit sueddeutsche.de noch deutlicher. Steinmeiers Vorwurf, der Arbeitsminister kämpfe für Arbeit, der Wirtschaftsminister für Insolvenzen, sei ein "dummer Satz". Der Außenminister wisse selber, "dass das Schwachsinn ist", sagte Bosbach.

"Irgendwer muss Steinmeier nach der Europawahl gesagt haben, er müsse jetzt aggressiver werden", vermutet Bosbach. Doch Steinmeiers "Versuch, jetzt den Ersatzschröder zu geben, werden ihm die Wähler nicht abnehmen". Steinmeier könne nicht jahrelang auf seriös machen "und Monate vor der Wahl die Keule rausholen".

Bosbach rechnet damit, dass sich der Ton bis zur Bundestagswahl noch verschärfen wird. "Das wird so weitergehen", prophezeite er. "Wer Panik hat, schlägt um sich." Er empfiehlt aber, die verbleibenden Sitzungswochen im Bundestag bis Anfang Juli jetzt noch "mit Anstand" hinter sich zu bringen. Die Bevölkerung erwarte, dass Politiker in der Krise arbeiteten.

Steinmeiers Verweis auf den Amtseid weist CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer zurück. "Eine Insolvenz bedeutet nicht Pleite, sondern ist vielmehr eine gute Chance für einen Neuanfang", sagte Ramsauer sueddeutsche.de. Von daher kämpfe der Wirtschaftsminister "mit vollem Einsatz für einen wirtschaftlichen Weg, der sowohl Arbeitsplätze sichern will, als auch das Geld der Steuerzahler nicht aus dem Blick verliert, wie es bei der SPD der Fall ist". Zu Guttenberg hab also "genau richtig entschieden und ist seinem Amtseid sehr gerecht geworden".

Der Vorsitzende der Mittelstands-Union, Hans Michelbach, empfiehlt der SPD schlicht, sie solle "ihren gesunden Menschenverstand einschalten" und aufhören, "Wahlkampfmonopoly" zu spielen. sueddeutsche.de sagte er, der Wirtschaftsminister habe "vollkommen zu Recht Staatshilfen für Arcandor abgelehnt". Guttenberg sei das "ordnungspolitische Gewissen der Bundesregierung".

Im Übrigen hätten Staatshilfen für Arcandor auch die Steuerzahler nicht hinnehmen wollen. "Es spricht doch Bände, dass mehr als 60 Prozent der Bürger bei einer Forsa-Umfrage Staatshilfen für Arcandor abgelehnt haben. Es kann nicht sein, dass der Steuerzahler für Managementfehler haften soll." Michelbach glaubt, der SPD-Kanzlerkandidat "sehnt sich offenbar nach Staatskapitalismus" in einer rot-rot-grünen Bundesregierung.

Der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, nannte Steinmeiers Interview in der Bild ein "Signal der Hilflosigkeit". Mißfelder sagte sueddeutsche.de, Steinmeier sei nach der Europawahl offenbar "jeglicher Verzweiflungsversuch" recht und wirft ihm vor, erst "ein solches Beschimpfungsinterview zu geben und dann ins Ausland zu flüchten".

Stattdessen aber scheinen die Sozialdemokraten gewillt, sich voll auf Guttenberg einzuschießen. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee warf dem CSU-Mann im NDR vor, in nicht akzeptabler Weise "ohne Not von Anfang an die Insolvenz ungefragt" bevorzugt zu haben. Ein Wirtschaftsminister aber müsse sich "krumm machen" dafür, dass die Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz behalten.

Damit auch allen klar wird, dass es um einen Lagerwahlkampf geht, mischen sich auch die Gewerkschaften ein. Die Vizechefin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Margret Mönig-Raane, wirft in der Berliner Zeitung dem Gespann Merkel und Guttenberg vor, nie eine staatliche Rettungsperspektive für den Handelskonzern in Betracht gezogen zu haben. "Wer Lösungen will, findet Wege. Wer keine Lösung will, findet Gründe."

Guttenberg verteidigte dagegen seine Haltung im Fall Arcandor. "Wenn Eigentümer und Gläubiger nicht bereit sind, Risiken zu übernehmen, kann man diese doch nicht dem Steuerzahler aufbürden", sagte er der Bild-Zeitung. Im Übrigen bedeute eine Insolvenz nicht das Ende aller Dinge, sondern könne den Boden für einen erfolgreichen Neustart bereiten.

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