Süddeutsche Zeitung

Bundespräsident:Grüne ebnen den Weg für zweite Amtszeit Steinmeiers

Weil sich auch SPD und FDP für den 65-Jährigen aussprechen, gilt die Wiederwahl des Bundespräsidenten als sehr wahrscheinlich. Die Begeisterung bei den Grünen hält sich indes in Grenzen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Sie haben ausdauernd gezögert, nun haben sich die Grünen entschieden. Die Partei wird sich für eine zweite Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier einsetzen. Damit steht seiner Wiederwahl im Februar nichts mehr im Weg. "Frank-Walter Steinmeier ist ein sehr guter und hoch angesehener Bundespräsident, der sich in seiner ersten Amtszeit große Verdienste um unser Land erworben hat", erklärten die Grünen-Partei- und Fraktionsvorsitzenden. "Insbesondere seiner starken Stimme für den demokratischen Zusammenhalt gebühren unser Respekt und unsere Unterstützung."

Die Grünen-Spitze sei überzeugt, so hieß es weiter in der Erklärung, dass Steinmeier "unserer Gesellschaft auf dem schwierigen Weg aus der Pandemie weiter Halt und Orientierung geben werde". "Deshalb unterstützen wir seine Wiederwahl und empfehlen unseren Wahlleuten in der Bundesversammlung, Frank-Walter Steinmeier erneut zum Bundespräsidenten zu wählen." Steinmeiers erste Amtszeit endet am 18. März 2022.

Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil begrüßten den Schritt der Grünen. Sie freuten sich über diese Entscheidung, teilten sie in Berlin mit. Mit seiner ausgleichenden und klaren Haltung und seiner menschlichen Zugewandtheit leiste Steinmeier einen unschätzbaren Beitrag für Zusammenhalt und Respekt im Land. Er genieße "zusätzlich zu seiner hohen Anerkennung und Beliebtheit in der Bevölkerung auch die volle Unterstützung der neuen Regierungskoalition und darüber hinaus".

Als letzte der drei Regierungsparteien haben die Grünen damit ihr Placet zu Steinmeiers Wiederwahl gegeben. Bei der Wahl in der Bundesversammlung am 13. Februar kann der frühere Außenminister, der am Mittwoch 66 Jahre alt wird, nun auf eine breite Mehrheit zählen. SPD, Grüne und FDP stellen in der Bundesversammlung mehr als 775 der 1472 Wahlmänner und -frauen, sind also nicht auf Stimmen aus anderen Parteien angewiesen, um Steinmeier eine zweite fünfjährige Amtszeit zu verschaffen.

Damit dürfte auch die Ankündigung der Union ins Leere laufen, eine eigene, weibliche Kandidatin ins Rennen zu schicken. Eine aussichtsreiche Bewerberin wurde dort ohnehin noch nicht gefunden. Zudem wären CDU und CSU auf die Unterstützung der Grünen angewiesen gewesen, um eine Mehrheit zu bekommen. Die Möglichkeit eines schwarz-grünen Schulterschlusses dürfte mit der Wahlempfehlung der Grünen-Spitze nun entfallen. Ausgeschlossen allerdings ist es nicht, dass einige grünen Wahlleute Steinmeier die Stimme verweigern. Gerade auf dem linken Flügel der Partei gibt es einigen Missmut, weil Anton Hofreiter bei der Regierungsbildung kein Ministeramt bekommen hat. Für die neue grüne Fraktionsspitze ist die Abstimmung also auch eine erste Bewährungsprobe.

Drei höchste Ämter im Staat in Händen der SPD

Das lange Zögern der Grünen dürfte sich rückblickend mit der Regierungsbildung erklären, zum anderen aber auch mit der Tatsache, dass man sich in Partei und Fraktion durchaus auch einen anderen Kandidaten fürs höchste Staatsamt hätte vorstellen können, genauer gesagt: eine Kandidatin ohne sozialdemokratisches Parteibuch.

Dass mit Bundespräsident, Bundestagspräsidentin und Bundeskanzler die drei obersten Ämter im Staat nun von der stärksten Regierungspartei, nämlich der SPD, besetzt werden, ist nicht wirklich nach dem Geschmack der Grünen. Zudem versucht die Partei seit vielen Jahren, eine Frau für den Posten in Position zu bringen, alternativ eine Persönlichkeit mit Migrationsbiografie.

Eine Bewerberin oder einen Bewerber mit so überzeugendem Profil, dass sie oder er Steinmeier aus dem Amt hätte drängen können, konnten allerdings weder Grüne noch Union vorweisen. Im Gespräch war zeitweilig die damalige Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die als ostdeutsche Protestantin ein passendendes biografisches und persönliches Format gehabt hätte, um auch manche Unions-Wahlleute zu gewinnen. Offenbar hatte sie aber keine Chance.

Denn auch wenn das Amt des Bundespräsidenten offiziell nie Gegenstand der Koalitionsverhandlungen war: SPD-Verhandlungsführer Olaf Scholz hat dem Vernehmen nach sehr früh klar gemacht, dass er an Steinmeier festhalten will, die Personalie regelrecht unverhandelbar sei. Die FDP soll sich dieser Haltung schon bald angeschlossen haben, für welche Gegenleistung von Scholz auch immer.

Mit der Union gegen die Koalitionspartner? Keine verlockende Perspektive für die Grünen

Ob das späte Ja zur Steinmeier-Wahl den Grünen jetzt noch Vorteile bringt im Koalitionsgefüge, mag bezweifelt werden. Die Begeisterung über die Entscheidung hielt sich am Dienstag jedenfalls hörbar in Grenzen. Als noch problematischer wurde in der Grünen-Fraktion allerdings ein Szenario betrachtet, bei dem die Partei zusammen mit der Union einen Bundespräsidenten aus dem Amt jagt, den beide Koalitionspartner unterstützen. So viel Krach gleich zu Beginn der Legislatur? Auch aus grüner Sicht keine verlockende Perspektive.

Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin wird von der Bundesversammlung gewählt. Sie setzt sich jeweils zur Hälfte aus den 736 Bundestagsabgeordneten und aus weiteren 736 Mitgliedern, die von den Landtagen entsandt werden, zusammen - häufig prominente Personen oder solche, die sich durch ihr Engagement besonders verdient gemacht haben.

In den ersten beiden Wahlgängen ist eine absolute Mehrheit nötig. Sollte Steinmeier diese verfehlen, weil ihn nicht alle Mitglieder der Bundesversammlung aus dem Regierungslager wählen, wäre ihm die Wiederwahl mit großer Wahrscheinlichkeit im dritten Wahlgang sicher, wenn die einfache Mehrheit reicht.

Steinmeier war 2017 auf Vorschlag von SPD und Union und mit Stimmen auch von Grünen und FDP zum Staatsoberhaupt und Nachfolger von Joachim Gauck gewählt worden.

Vor seiner Zeit als Bundespräsident war der SPD-Politiker von 1999 bis 2005 Chef des Bundeskanzleramts unter Gerhard Schröder. Programmatisch hatte er in dieser Zeit großen Anteil an der Entwicklung der Agenda 2010. In der großen Koalition unter Angela Merkel wurde er dann 2005 bis 2009 und von 2013 bis 2017 in der Bevölkerung beliebter Außenminister.

2009 führte Steinmeier die SPD als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl, scheiterte aber und wurde anschließend als Fraktionsvorsitzender der SPD Oppositionsführer im Parlament.

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