Bundespräsident:Steinmeier will für zweite Amtszeit kandidieren

Pressestatement von Bundespräsident Steinmeier

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußert sich im Schloss Bellevue zu einer zweiten Amtszeit.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Er wolle helfen, die Wunden zu heilen, die die Pandemie hinterlasse, sagt der Bundespräsident. In der Bundesversammlung kann er nicht sicher mit einer Mehrheit rechnen, sagt aber: "Ich trete nicht aus Bequemlichkeit an, sondern aus Überzeugung."

Von Nico Fried, Berlin, und Philipp Saul

Frank-Walter Steinmeier will für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident kandidieren. Das sagte er in einem Statement im Schloss Bellevue in Berlin. "Wir stehen vor wichtigen Wahlen, vor politischen Umbrüchen und vor vielen offenen Fragen", erklärte Steinmeier. Eine davon wolle er beantworten und sich klar bekennen.

In einer kurzen Ansprache sagte der Bundespräsident: "Ich möchte unser Land auf seinem Weg in die Zukunft begleiten." Die Pandemie habe viele Wunden geschlagen, Leid und Trauer gebracht. Man habe sich wund gerieben im Streit um den richtigen Weg. "Ich möchte helfen, diese Wunden zu heilen." Man habe "in den letzten 15 Monaten erfahren, wie verletzlich wir sind". Man habe aber auch erfahren: "Wenn es hart auf hart kommt, sind wir auf andere angewiesen", so Steinmeier. "Auf diese elementare Erfahrung sollten wir unsere Zukunft bauen."

Ein Bundespräsident gebe nicht die politische Richtung vor, könne aber Brücken in der Gesellschaft sowie zu Nachbarn und Partnern in der Welt bauen, aber auch Brücken in die Zukunft, etwa bei Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel.

Steinmeier war 2017 auf Vorschlag von SPD und Union und mit Stimmen auch von Grünen und FDP zum Staatsoberhaupt und Nachfolger von Joachim Gauck gewählt worden. Seine erste Amtszeit endet nach fünf Jahren am 18. März 2022.

Aufgrund der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, die am 13. Februar einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin wählen soll, kann Steinmeier nicht sicher mit seiner Wiederwahl rechnen. Er wisse, dass er nicht von vornherein auf eine Mehrheit in der Bundesversammlung bauen könne, sagte Steinmeier. "Aber ich trete nicht aus Bequemlichkeit an, sondern aus Überzeugung." Gewissheit gebe es in der Demokratie nicht.

Chefs von Union und Grünen wollen sich noch nicht auf Steinmeier festlegen

Die Bundesversammlung besteht zur einen Hälfte aus allen Bundestagsabgeordneten, zur anderen Hälfte aus Entsandten der 16 Länderparlamente. Die Größe der Bundesversammlung ist somit abhängig von der Zahl der bei der Bundestagswahl vergebenen Mandate. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Besetzung des Bundespräsidentenamtes zu den Personalien gehört, die im Zuge der Koalitionsverhandlungen nach der Wahl im September geklärt wird. Zuletzt hatten sich bereits FDP-Chef Christian Lindner und der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) für eine zweite Amtszeit Steinmeiers ausgesprochen.

CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet zollte Steinmeiers Entscheidung für eine Kandidatur seinen Respekt. Es sei gut, dass der Bundespräsident es durch seine Erklärung ermögliche, dass das Thema nicht in den Bundestagswahlkampf hineingezogen werde. Auf eine Nachfrage, ob die Union eine zweite Amtszeit Steinmeiers mittragen oder einen eigenen Kandidaten nominieren werde, sagte Laschet, mit dieser Frage würden sich CDU und CSU beschäftigen, wenn die Zusammensetzung der Bundesversammlung feststehe. CSU-Chef Markus Söder äußerte sich ähnlich.

Die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck teilten mit, die Ankündigung Steinmeiers dürfe nicht bedeuten, "dass das Amt des Bundespräsidenten in den Wahlkampf gezogen wird". Steinmeier fülle "sein Amt mit Weitsicht und Menschlichkeit aus", erklärten die Grünen-Chefs weiter. Wer aber in der nächsten Amtszeit dem Land als Staatsoberhaupt vorstehe, werde erst "nach der Bundestagswahl entschieden", betonten Habeck und Baerbock.

In der letzten Bundesversammlung mit 1260 Mitgliedern hatte die Union mit 539 Stimmen die beste Ausgangslage, konnte aber keine Mehrheit für einen eigenen Kandidaten organisieren. Die damaligen Vorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Horst Seehofer, einigten sich deshalb mit SPD-Chef Sigmar Gabriel auf dessen Vorschlag, den damaligen Außenminister Steinmeier ins höchste Staatsamt zu wählen.

Steinmeier findet als Bundespräsident durchaus deutliche Worte

Wie es der Tradition entspricht, mischte sich der heute 65-jährige Steinmeier als Bundespräsident nur selten in die Tagespolitik ein. Ab und an tat er es aber doch, etwa als er nach der Bundestagswahl 2017 die Parteien an ihre Verantwortung zur Regierungsbildung erinnerte und die SPD zu Koalitionsgesprächen mit der Union aufforderte. Ein anderes Mal kritisierte Steinmeier in der Migrationsfrage 2018 die "Unnachsichtigkeit" und "maßlose Härte", mit der CDU und CSU in der Migrationsfrage stritten, "als gäbe es kein Morgen mehr".

Auch in der Corona-Krise wurde Steinmeier deutlich. Erst im April rügte er die politisch Verantwortlichen, sprach von einer "Krise des Vertrauens" und forderte angesichts von Querelen zwischen Bund und Ländern sowie den Ministerpräsidenten untereinander Zusammenarbeit zur Bewältigung der Pandemie. Die Erwartung der Bürger an die Regierenden sei klar: "Rauft euch zusammen."

Vor seiner Zeit als Bundespräsident war der SPD-Politiker von 1999 bis 2005 Chef des Bundeskanzleramts unter Gerhard Schröder. Programmatisch hatte er in dieser Zeit großen Anteil an der Entwicklung der Agenda 2010. In der großen Koalition unter Angela Merkel wurde er dann 2005 bis 2009 und von 2013 bis 2017 in der Bevölkerung beliebter Außenminister.

2009 führte Steinmeier die SPD als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl, scheiterte aber und wurde anschließend als Fraktionsvorsitzender der SPD Oppositionsführer im Parlament.

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