Debatte über Migration:Steinmeier fordert Begrenzung der Migration

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während seiner Rede bei der Gedenkfeier für die Todesopfer der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest. (Foto: Michael Probst/DPA)

Der Bundespräsident spricht sich bei der Gedenkfeier für die Opfer des terroristischen Anschlags von Solingen für eine gemeinsame Kraftanstrengung aus. Führende Unionspolitiker machen in der Debatte weiter Druck.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich für eine Begrenzung der Migration nach Deutschland ausgesprochen. In seiner Rede bei der Trauerfeier zum Gedenken an die Opfer des terroristischen Anschlags in Solingen bekannte Steinmeier, der Staat habe in Solingen sein Versprechen auf Schutz und Sicherheit nicht eingehalten. „Er steht deshalb in der Pflicht, dieses Verbrechen, auch Fehler und Versäumnisse, die dazu beigetragen haben könnten, dass diese heimtückische Tat nicht verhindert werden konnte, umfassend aufzuarbeiten.“

Deutschland müsse nun „jede, wirklich jede Anstrengung unternehmen, um die Regeln zur Begrenzung des Zugangs, die es schon gibt und die, die wir gerade zusätzlich schaffen, umzusetzen“, so der Bundespräsident weiter.

Diese Riesenaufgabe müsse in den kommenden Jahren oberste Priorität haben. Alle demokratischen Kräfte stünden dabei in der Verantwortung. Die Kraftanstrengung für das Gelingen von Zuwanderung darf nach Steinmeiers Worten nicht bei den Menschen abgeladen werden, die sich einsetzen. „Wir dürfen die Gutwilligen nicht überfordern!“

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Steinmeier betonte, dass politisch Verfolgte in Deutschland Asylrecht genießen. „Wir wollen dieses Land bleiben und können es am Ende doch nur bleiben, wenn wir die Zahl derer herunterbringen, die ohne Anspruch auf diesen besonderen Schutz zu uns kommen. Und nur wenn Schutzsuchende sich an Recht und Gesetz unseres Landes halten, werden wir die Akzeptanz in der Bevölkerung wahren können.“

Union macht Druck in Migrationsdebatte

Am Samstag hatten führende Unionspolitiker in der Debatte um eine Begrenzung der Migration weiter Druck ausgeübt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte die Bundesregierung zu einer grundlegenden Umkehr in der Migrationspolitik und einer Änderung des Asylrechts auf. „Wir müssen das Asylrecht ändern, es ist nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen all jene an den deutschen Grenzen zurückweisen können, die klar erkennbar keinen Anspruch auf Schutz haben“, sagte Bayerns Ministerpräsident der Welt am Sonntag. 

Damit stellt Söder das individuelle Asylrecht infrage: „Das individuelle subjektive Recht auf Asyl muss umgewandelt werden. Dann entscheidet Deutschland, wer in unser Land kommt – und nicht jeder Einzelne hat ein Recht dazu.“ Söder übte zudem Kritik am Maßnahmenpaket der Bundesregierung nach dem Anschlag von Solingen: „Es enthält einige Ansätze und Ankündigungen, aber der grundlegende Richtungswechsel fehlt weiterhin“. Söder äußerte darüber hinaus Zweifel an Kanzler Scholz’ Willen zur Problemlösung.

Auch CDU-Chef Friedrich Merz forderte die Regierung auf, weitergehende Vorkehrungen zu treffen, um die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland zu begrenzen. In seiner aktuellen Rundmail an seine Anhänger spielte Merz auf das Ausrufen einer nationalen Notlage an, auf deren Grundlage es laut Rechtsexperten möglich wäre, Menschen direkt an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Für das Land und die Gesellschaft sei eine „Überforderungsgrenze“ erreicht, erklärte er. Die EU sehe für diesen Fall eine „Generalklausel“ vor, die es den Mitgliedstaaten ermögliche, „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und für den Schutz der inneren Sicherheit eigene Vorkehrungen zu treffen“, betonte der CDU-Chef.

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Am Dienstag kommt es zum Gespräch zwischen der Union und Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuvor ein Gesprächsangebot von Oppositionsführer Friedrich Merz begrüßt und angekündigt, gemeinsam mit den Bundesländern und der Union Konsequenzen aus dem Anschlag von Solingen ziehen zu wollen. Die Gespräche sind nun für Dienstag geplant, zwei Tage nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Im Vorfeld dieser Wahlen und in Hinsicht auf die Kanzlerrunde sagte Söder: „Ich kann dem Bundeskanzler nur raten, mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen kein taktisches Manöver zu machen“, sagte Söder. „Ich habe meine Zweifel, ob sein Angebot ernst gemeint ist.“

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wies Söders Forderungen entschieden zurück. „Dass Markus Söder an unserem Grundgesetz herumschrauben will, nachdem Friedrich Merz das vor wenigen Tagen ausdrücklich ausschloss, irritiert“, sagte Kühnert dem Tagesspiegel. Die notwendigen politischen Debatten nach dem Attentat von Solingen seien „nicht der richtige Ort für die Profilierung möglicher Unions-Kanzlerkandidaten“, fügte Kühnert hinzu.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Grundrecht auf Asyl gehöre „aus guten Gründen zum Kernbestand dieser Republik“. Er wies die Union darauf hin, die Gründungsmütter und -väter des Asylrechts hätten schon gewusst, was sie tun – die Union aber wisse das zunehmend nicht.

Einige Verschärfungen in der Asylpolitik hat die Regierung bereits vorgelegt

Nach dem mutmaßlich islamistischen Messeranschlag von Solingen mit drei Toten hatte die Bundesregierung in dieser Woche ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das einige Verschärfungen in der Asyl- und Sicherheitspolitik vorsieht. Unter anderem sollen unter bestimmten Bedingungen Leistungen für Geflüchtete künftig auf null gekürzt werden können, wenn für sie eigentlich ein anderes EU-Land zuständig ist.

Ebenfalls Teil des Pakets sind leichtere Ausweisungen, wenn Asylbewerber eine Straftat mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeug begehen. Auch der Umgang mit Messern im öffentlichen Raum soll weiter eingeschränkt werden.

Was die Bundesregierung bereits seit Monaten verfolgt: Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan sollen künftig unter bestimmten Voraussetzungen wieder möglich sein. Am Freitag schob Deutschland erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren wieder Afghanen in ihr Herkunftsland ab

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