Süddeutsche Zeitung

SPD:Stoßseufzer in Schloss Bellevue

Dass die SPD Bärbel Bas zur Bundestagspräsidentin machen will, hilft Frank-Walter Steinmeier. Seiner Wiederwahl kann er sich trotzdem nicht sicher sein.

Von Stefan Braun

Wahrscheinlich wird es nie jemand öffentlich sagen. Geschweige denn freudestrahlend berichten. Aber als am Mittwoch die Entscheidung der SPD-Bundestagfraktion durchdrang, in der Duisburgerin Bärbel Bas eine Frau an die Spitze des Bundestags zu wählen, dürfte im Berliner Schloss Bellevue in ziemlich vielen Büros ein leiser Stoßseufzer zu hören gewesen sein. Vielleicht sogar im Amtszimmer des Schlossherrn persönlich.

Bis dahin nämlich musste Frank-Walter Steinmeier befürchten, dass in der Debatte über das nächste Staatsoberhaupt der Druck weiter wachsen würde, auf jeden Fall eine Frau zu nehmen. Hätte die Fraktion an der Idee festgehalten, ihren bisherigen Chef Rolf Mützenich zum Bundestagspräsidenten zu machen, wäre die Frage unausweichlich gewesen: Kanzler, Bundes- und Bundestagspräsident - drei Männer ganz oben?

Nun also Entspannung. Fürs Erste jedenfalls. Und wie zu hören ist, hatte Mützenich selbst das auch in den Beratungen zum Ausdruck gebracht: bloß nicht diese Debatte auch noch. So gesehen kann Frank-Walter Steinmeier tatsächlich wieder hoffen, bei der nächsten Bundesversammlung am 13. Februar nächsten Jahres eine Mehrheit auf sich zu vereinen. Ein schöner Zug für einen alten Mitstreiter - könnte man meinen. Zumal Steinmeier ja früh selbst erklärt hatte, noch einmal anzutreten.

Die Grünen finden, in Sachen Staatsoberhaupt ist noch nichts beschlossen

Entschieden aber ist nichts, auch wenn es schwer vorstellbar ist, dass Olaf Scholz sich offen gegen seinen alten Mitstreiter Steinmeier wenden könnte. Und auch die FDP hat sich früh und sehr deutlich für eine Wiederwahl des Bundespräsidenten ausgesprochen. Aber da sind auch noch die Grünen, die einen erheblichen Stimmenanteil in der Bundesversammlung mitbringen. Und deren Kalkül könnte ein ganz anderes sein. So jedenfalls lässt sich die Co-Vorsitzende Annalena Baerbock verstehen, die prompt erklärt hat, in Sachen Staatsoberhaupt sei noch lange nichts beschlossen.

Der Hintergrund dafür ist ein doppelter: Zum einen träumen die Grünen schon lange davon, endlich einmal einen Vertreter an die Staatsspitze zu wählen. Zum anderen aber gibt es auch bei den Grünen deutlich mehr Bewerberinnen und Bewerber als Spitzenämter, die im Falle einer Ampel-Koalition zu besetzen sein werden. Kein Wunder also, dass sich die Grünen diese Option jedenfalls nicht automatisch nehmen lassen wollen.

Als mögliche Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten wird seit Längerem Katrin Göring-Eckardt genannt, einst Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin. Für sie ist die Lage besonders kompliziert, weil sie entweder jetzt noch einmal was wird - oder gar nicht mehr. Und weil die Grünen nicht mehr als zwei bis drei wirklich große Ministerien erhalten werden, kann es für Göring-Eckardt schnell knapp werden.

Mit Bärbel Bas hat es also eine erste Entscheidung gegeben. So wirklich fixiert ist das meiste aber noch nicht.

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