Steinmeier auf dem Nockherberg:Bier, Brezen und Galgenhumor

Die schlechten Umfrageergebnisse der SPD verfolgen Frank-Walter Steinmeier bis in den Biergarten. Der Kandidat umgibt sich in München mit Freunden und bayerischen Spezialitäten - und schweigt.

Michael König

Der Kandidat ist da, aber das Bier noch nicht. Frank-Walter Steinmeier kommt eine Viertelstunde zu früh im Biergarten auf dem Nockherberg an. Er ist sichtlich gutgelaunt, vom Wahlkampf-Stress keine Spur. Er setzt sich zu den bayerischen SPD-Granden an den Tisch. Die werden hektisch: Wo ist das Bier, gebt dem Mann ein Bier!

Steinmeier auf dem Nockherberg: Frank-Walter Steinmeier ließ sich die Maß Bier in München schmecken.

Frank-Walter Steinmeier ließ sich die Maß Bier in München schmecken.

(Foto: Foto: Reuters)

Die Fotografen brauchen Bilder, bayerische Bilder sollen es sein, und das geht scheinbar nicht ohne Bier. Also sorgt Steinmeier anderweitig für Motive, nimmt erst einmal die Krawatte ab, öffnet zwei Hemdknöpfe, das sieht immerhin dynamisch aus. Und dann bekommt der Mann endlich seine Maß, der Wirt bringt sie ihm persönlich. Die Kameras klicken.

Er hat Steinmeier außerdem ein Souvenir mitgebracht, einen "Geldscheißer" aus Zinn. "Soll ihm Glück bringen", sagt der Wirt. "Er kann es gebrauchen."

Tatsächlich könnten die Umfragewerte der SPD derzeit schlechter kaum sein: Sie stehe in der Wählergunst nur noch bei 20 Prozent, meldet das Meinungsforschungsinstitut Forsa. Die Dienstwagenaffäre um Ulla Schmidt habe der Partei massiv geschadet. Die Vorstellung von Steinmeiers "Deutschland-Plan", in dem er von vier Millionen neuen Jobs spricht, konnte daran bislang nichts ändern.

"Ein Treffen mit Freunden und Presse"

Steinmeier bereist nun das ganze Land, um für sich und sein Konzept zu werben, 60 Veranstaltungen in 14 Bundesländern stehen auf dem Programm, und so rollt der Gute-Laune-Express auch durch Bayern.

Am gestrigen Mittwoch war er mittags in Ulm bei einem Motorenölhersteller, nachmittags an der Technischen Universität München, anschließend bei der Arbeiterwohlfahrt im Stadtteil Haidhausen. Zum Tagesabschluss wird dem Kanzlerkandidaten und seiner vielköpfigen Entourage Idylle verordnet: Ein Abendessen im Biergarten am Nockherberg. "Ein Treffen mit Freunden und Presse", sagt ein Sprecher.

Für die Presse gibt es bayerische Spezialitäten und ein einziges Steinmeier-Zitat: "Mich interessieren nicht die Zahlen von gestern, sondern die Ergebnisse von morgen." Mehr ist ihm nicht zu entlocken.

Neben Steinmeier sitzt der Schauspieler Ottfried Fischer, gegenüber Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und der neue bayerische SPD-Chef Florian Pronold. Ude erzählt einen Witz, woraufhin Steinmeier so laut lacht, als sollten es auch die Forsa-Mitarbeiter in Berlin hören.

Steinmeier schüttelt sich vor Freude, er wirft den Kopf nach hinten. Das ist jetzt wieder Dynamik, die Kameras klicken, die Fotografen sind zufrieden. Zumal aus dem allgemeinen Biergarten-Trubel noch ein weiteres Motiv auftaucht: die neunjährige Alisha wagt sich an den Politiker heran.

Sie stützt sich auf Steinmeiers Schulter und berichtet von der Schule. Ihrem Papa erzählt sie später: "Ich würde ihn wählen, wenn ich dürfte." Der zuckt mit den Schultern und berichtet, er hätte sowieso für die SPD gestimmt.

Bis zur Bundestagswahl dauert es noch gut sieben Wochen. Die bayerischen Politiker trinken ihre Gläser leer, bevor sie sich wieder dem Wahlkampf widmen. Christian Ude lobt Steinmeiers Kondition: "Löwenstark" sei die und der Außenminister "selbstverständlich" der richtige Kandidat.

Die Umfrageergebnisse, Herr Oberbürgermeister? "Deprimierend, aber die Rolle als Juniorpartner einer großen Koalition ist immer undankbar." Er hoffe auf den Deutschland-Plan: "Es ist richtig, dass wir uns inhaltlich klar positioniert haben." Das setze die Union unter Zugzwang: "Die Konservativen können sich nicht ewig dafür feiern, dass sie jetzt einen Wirtschaftsminister haben, der ganze Sätze sagen kann."

Hinter Ude steht der Landesvorsitzende Pronold schon in den Startlöchern. Er schießt gegen Merkel: "Im Schlafwagen im Urlaub" sei die Kanzlerin derzeit unterwegs. "Wer nichts sagt, der kann auch recht haben."

Steinmeier wechselt währenddessen den Tisch und setzt sich zu einer Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Frauen und Männer gehobenen Alters, treue SPD-Wähler, Stammklientel.

Der Vergleich mit Merkel

Sicherheitsleute schirmen den Tisch vor Reportern ab, "ein Gespräch unter Freunden", knurrt einer. Später erzählt eine dieser Genossinnen, sie habe den Kanzlerkandidaten im Gespräch kritisiert - weil dessen Parteikollege und Finanzminister Peer Steinbrück eine garantierte Rentenhöhe ablehnt. Steinmeier habe darauf entgegnet: "Ach, ich dachte, er hätte schon wieder was Neues angestellt."

Der Galgenhumor kommt an. Die 63-jährige AWO-Frau sagt, Steinmeier habe "locker und sympathisch" gewirkt. Zu seinen Chancen bei der Wahl am 27. September will sie sich nicht recht äußern, nur so viel: "So wie die Merkel das derzeit macht, das könnte der Steinmeier auch."

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