Süddeutsche Zeitung

Steinbrücks Sponsorenwerbung:Verteidigung, Zug um Zug

Möllemann reloaded oder Polit-Routine? Juristen sehen Peer Steinbrücks Sponsorenwerben für ein Schachturnier kritisch, aus der eigenen Partei bekommt der mögliche SPD-Kanzlerkandidat aber Unterstützung. Und FDP-Mann Kubicki ist sowieso ganz verzaubert von Steinbrück.

Jannis Brühl, Berlin

Die Kandidatenfrage der SPD könnte längst geklärt sein, wenn Peer Steinbrück in der eigenen Partei so leidenschaftliche Fans hätte wie in der FDP. Wolfgang Kubicki, Chef der Liberalen in Schleswig-Holstein, hielt am Dienstag in Berlin eine Laudatio auf Steinbrück. Anlass: die Vorstellung einer Biografie über den ehemaligen Finanzminister. Steinbrück und Kubicki kennen sich aus der Zeit, als sie gemeinsam Volkswirtschaft in Kiel studierten. Später begegneten sie sich in der Politik wieder, als Steinbrück Landesminister in Schleswig-Holstein war.

Und die alten Bande halten noch heute. Kubicki nutzte die Gelegenheit jedenfalls und warb wieder für eine Ampel-Koalition auf Bundesebene: "Ich würde zwar nicht mit jedem Sozi regieren", erklärte er. Mit Steinbrück allerdings könne man sehr gut zusammenarbeiten.

Steinbrück, überall Steinbrück. Vor zwei Wochen wurde noch über die Troika diskutiert, derzeit steht aber vor allem der 65-Jährige im Rampenlicht. Beim SPD-Zukunftskongress in Berlin am vorvergangenen Wochenende nahm sich Parteichef Sigmar Gabriel demonstrativ zurück: Während Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier lange, kämpferische Reden hielten, beließ es Gabriel bei einem kurzen Schlusswort. Da waren es nur noch zwei Troika-Kandidaten. Jetzt könnte man meinen, es sei nur noch einer.

Drei Biografien über Steinbrück sind in diesen Wochen erschienen. Die über Steinmeier kam bereits 2009 auf den Markt - als dieser Kanzlerkandidat war. Und am Freitag rief das Magazin Cicero Steinbrück schon zum Kandidaten aus. Die SPD dementierte, Parteichef Gabriel war wütend über die Kolportage, die Partei habe sich schon entschieden.

Aktienrechtler sprechen von "Dummheit"

Doch mit der Aufmerksamkeit kam auch der Vorwurf, Steinbrück habe in seiner Zeit als Bundesfinanzminister mit offiziellem Briefpapier - also seiner hohen Stellung - bei teilweise staatseigenen Unternehmen um Sponsorengeld in Höhe von bis zu einer Million Euro für eine Schachveranstaltung geworben. Sogar Wolfgang Kubicki sah sich jetzt in der Pflicht, Steinbrück gegen den Vorwurf in Schutz zu nehmen, er habe seine Stellung 2006 ausgenutzt.

Tatsächlich hatte Steinbrück in persönlichen Briefen die Chefs von Post und Telekom, Klaus Zumwinkel und Kai-Uwe Ricke, darum gebeten, mit ihren Unternehmen die Schachpartie zwischen dem Computer Deep Fritz und Weltmeister Wladimir Kramnik in Bonn finanziell zu unterstützen. Steinbrück ist leidenschaftlicher Schachspieler, gegen Kramnik ist er selbst schon angetreten (Spielnotation hier).

Steinbrück verteidigte sich in der SZ: Es habe sich nicht um eine Privatveranstaltung gehandelt, sondern um ein öffentliches Turnier. Aktienrechtler haben den Fall in ersten Einschätzungen als "Dummheit" von Steinbrück und als potenziell strafbar für Ricke und Zumwinkel bezeichnet. Weil der Bund größter Anteilseigner in beiden Unternehmen sei, könnte der Brief als "Aufforderung zur verdeckten Gewinnausschüttung oder zur Pflichtverletzung" gewertet werden.

Die Juristen zogen aber Parallelen zur "Briefkopf-Affäre", wegen der der damalige Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann 1993 zurücktreten musste. Koalitionskollegen waren von ihm abgerückt, weil Möllemann auf dem offiziellen Briefpapier seines Ministeriums bei Einzelhandelsketten für den Einkaufswagen-Chip geworben hatte, den ein Vetter seiner Frau produzierte. Zu Möllemanns Rücktritt trug allerdings auch bei, dass er anfangs geleugnet hatte, überhaupt etwas von dem Brief zu wissen - unter dem seine Unterschrift stand.

Kubicki jedenfalls hält nichts davon, die Fälle Möllemann und Steinbrück zu vergleichen. Er wies in Berlin darauf hin, dass es sich bei der Schach-Sponsorenwerbung nicht - wie im Fall Möllemann - um den offiziellen Briefkopf des Ministeriums gehandelt habe, sondern um Steinbrücks eigenen Briefkopf als Abgeordneter.

Kubicki sagte: "Ich selbst jedenfalls kann in dem Vorgang nichts Unkonventionelles, Unmoralisches, Anrüchiges sehen." Auch die SPD-Politikerin Heide Simonis habe in ihrer Zeit als schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin für Spenden von PCs für Schulen geworben - bei den öffentlichen Sparkassen.

"Das Ganze ist kein Skandal"

Dass der Focus den Schach-Brief am Wochenende enthüllte, dürfte ebenfalls kein Zufall sein: Denn das Buch, das Kubicki vorstellte, hat der Berliner Redaktionsleiter des Magazins, Daniel Goffart, geschrieben. "Schach dem Sponsor" heißt das Kapitel, das sich mit Steinbrücks Brief beschäftigt.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hatte Steinbrück zuvor bereits in Schutz genommen: "Das ist aus meiner Sicht nicht problematisch", sagte sie in der ARD. Sie gehe davon aus, dass der Brief Steinbrück nicht schaden werde.

Auch der Bund der Steuerzahler, der sonst schnell vermeintliche Verstöße von Politikern anprangert, nahm Steinbrück in Schutz. Reiner Holznagel, Geschäftsführer der Organisation, sagte der Leipziger Volkszeitung: "Es ist kein Schaden für den Steuerzahler eingetreten. Wir sollten uns nicht in kleinliche Diskussionen verstricken." Einer solchen Bitte eines Politikers könne man nachkommen oder sie ablehnen. Das stehe allen frei. "Das Ganze ist weder ein Skandal noch ein Problem", sagte Holznagel.

Tatsächlich handelt sich bei dem Brief zwar um den Briefkopf der Abgeordneten, nicht des Ministeriums. Der Titel "Bundesminister der Finanzen" ist dort allerdings zu lesen, direkt unter Steinbrücks Namen, oben links.

Kubickis Meinung von Steinbrück steht trotzdem fest und deckt sich mit der von Altkanzler Helmut Schmidt: "Auch ich glaube, dass er Kanzler kann." Die Überzeugung vieler in seiner Partei, mit Sozialdemokraten können man nicht zusammenarbeiten, bezeichnete der Liberale als "Nonsens".

Doch so ganz wollte Kubicki seiner Bundespartei, die weiter für Schwarz-Gelb wirbt, dann doch nicht in den Rücken fallen. Auf die Frage, ob er Steinbrück denn auch Angela Merkel vorziehen würde, antwortete Kubicki mit einem diplomatischen Scherz: "Ich halte ihn für den besseren Kanzler, aber nicht für die bessere Kanzlerin."

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