Süddeutsche Zeitung

Steinbrück und sein neuer Sprecher:Kleines Welt

Rolf Kleine soll SPD-Kanzleranwärter Peer Steinbrück endlich medial da positionieren, wo der nach eigener Auffassung hingehört: im politischen Olymp. Doch wenn sich Steinbrück nur im Ansatz daran hält, was der frühere "Bild"-Mann einst in seinen Kommentaren schrieb, dann gute Nacht, SPD.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Die Sache mit Võ Nguyên Giáp sollte wohl ein Scherz sein. Ob geschmackssicher oder nicht, jedenfalls hat Rolf Kleine ein Foto des greisen vietnamesischen Generals und Guerillakämpfers auf seine Facebook-Seite gestellt und mit dem Satz versehen: "Die FDP ist wieder da!"

Ja klar, ein billiger Witz auf Kosten von FDP-Chef Philipp Rösler. Im Normalfall wäre das wahrscheinlich kein großes Problem. Wenn nicht dieser Rolf Kleine seit diesem Montag für jenen Mann tätig wäre, der von Herbst an Deutschland als Bundeskanzler führen will. In seiner neuen Rolle als Peer Steinbrücks Sprecher kommen solche Scherze dann doch nicht mehr so gut an.

Dabei sollte mit Kleine jetzt eigentlich alles besser werden. Für ihn hat sich Steinbrück seines bisherigen Sprechers Michael Donnermeyer entledigt. Die Vermutung liegt aber doch nahe, dass sich Steinbrück mit dem Rauswurf des einen Problems, Donnermeyer, gleich das nächste Problem ins eh schon gehörig schwankende Wahlkampf-Boot geholt hat.

Dass in der SPD-Zentrale schon ein paar Nerven über Bord gegangen sind, zeigt auch, wie Kleine mit seiner Facebook-Seite umgegangen ist. Statt souverän zu sagen, jo Leute, das bin ich, so bin ich, hat er sie kurzerhand aus dem Netz genommen. Einfach gelöscht. Die ohnehin ziemlich glücklose Wahlkampagne der SPD kann so viel Transparenz offenbar nicht vertragen.

Es gibt noch so einiges mehr, was an dieser Personalentscheidung zweifeln lässt. Wenn nämlich Steinbrück auch nur im Ansatz auf das hört, was Kleine in seinen früheren Kommentaren als Politik-Journalist der Bild-Zeitung von sich gegeben hat, dann gute Nacht, SPD.

Ginge es nämlich nicht nach Steinbrück sondern nach seinem neuen Sprecher Kleine, dann würden die Griechen keinen Cent von uns Deutschen bekommen. Für die Griechenland-Rettung sollte "uns JEDER EURO zu schade sein", schrieb er in einem Kommentar. "JEDER EURO" in Bild-typischen Versalien. Ähnlich hier.

Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte sich im März 2010 in einem Brief an den griechischen Parlamentspräsidenten Philippos Petsalnikos für manch "hämischen" Kommentar in den Medien entschuldigt. Das brachte Kleine auf den Plan. Unter der Überschrift: "Warum müssen wir uns bei den Pleite-Griechen entschuldigen?" schreibt er: "Ganz Europa sorgt sich über die desaströse Finanzlage Griechenlands und die Stabilität des Euro - und was macht unser Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU)? Er entschuldigt sich in einem Brief". In pseudo-kindlichem Unschuldston fragt er: "ABER WEN MEINT ER DA BLOSS?"

Nun ja, offenbar auch die Bild-Zeitung, bei der Kleine arbeitete und die mit Überschriften Kasse machte wie "Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen!" Oder: "Ihr griecht nix von uns!" Oder: "Bild macht Bettel-Test in Athen." Der Bildblog hat das hier mal schön zusammengefasst.

Bildblog ist ohnehin eine schöne Fundgrube für das, was Steinbrück von der neuen Wunderwaffe an seiner Seite erwarten könnte: Einmal fragte Kleine zusammen mit seinem Bild-Kollegen Hanno Kautz, ob sich Cem Özdemir vorstellen könne, dass eines Tages ein türkischstämmiger Kanzler zum Amtseid seine Hand auf den Koran lege. Die Frage ist schon deshalb etwas schwierig, weil es bisher nicht einen Kanzler gab, der zum Schwur seine Hand auf eine Bibel gelegt hätte. Hände auf irgendwelche Bücher zu legen, ist nämlich schlicht nicht vorgesehen, wenn ein Kanzler seinen Amtseid leistet.

Verkorkster Wahlkampf der SPD

Seine analytischen Fähigkeiten bewies Kleine in einem kleinen Text zur Bremen-Wahl 2011. Darin verkündete er die Sensation, die CDU sei "zum 1. Mal" als drittstärkste Kraft aus einer Wahl hervorgegangen. Die Kollegen von Bildblog haben das leicht widerlegen können. Fünf Wahlen zählten sie auf, aus denen die CDU als dritte oder sogar als vierte Kraft herauskam.

Als Thilo Sarrazin gerade die SPD mit seinen ausländerfeindlichen Thesen nervte, da war es Rolf Kleine, der Sarrazin in der Bild-Zeitung verteidigte. Sarrazin habe "in den vergangenen Jahren immer wieder auf Missstände in Deutschland hingewiesen, u. a. den mangelnden Willen vieler Ausländer kritisiert, sich bei uns zu integrieren", stellte Kleine fest. Abwatschen lassen musste sich dagegen SPD-Chef Sigmar Gabriel, der Sarrazin lieber gleich als später aus der SPD geschmissen hätte.

Aber ach, was soll's. In den nicht mal mehr 100 Tagen bis zur Bundestagswahl wird auch ein Rolf Kleine die Kampagne der SPD nicht noch mehr beschädigen können. Dafür ist sie womöglich schon zu verkorkst.

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