Süddeutsche Zeitung

SPD-Parteitag in Hannover:Peers großer Tag

Peer Steinbrück wird heute offiziell Kanzlerkandidat. Nur zwei wichtige Tagesordungspunkte hat die SPD auf ihrem Parteitag: Rede und Wahl. Oder Peer und Steinbrück.

Nur zwei Tagesordnungspunkte hat die SPD auf ihrem Kurz-Parteitag in Hannover: Peer Steinbrück redet. Und: Peer Steinbrück wird zum Kanzlerkandidaten gewählt. "Lieber Peer, das ist heute dein Tag und wir stehen an deiner Seite", sagt NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in ihrer Eröffnungsrede. Dann hält sie, was man eine kämpferische Rede nennt. "Die CDU ist nur noch eine inhaltsleere Hülle und ein Merkel-Wahlverein", sagt sie mit Blick auf Kanzlerin Angela Merkel. Merkel leide unter Realitätsverlust, wenn sie meine, sie führe die beste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung. "Das glaubt ihnen doch kein Mensch", ruft die stellvertretende SPD-Chefin.

"2013 wird unser Jahr in Niedersachsen und im Bund", sagt Kraft dann auch noch. In Niedersachsen wird am 20. Januar der Landtag neu gewählt. Die SPD will mit Stephan Weil an der Spitze die CDU mit Ministerpräsident David McAllister ablösen. Weil ist es dann auch, der nach Kraft das Wort ergreift. Doch seine Rede reißt die Delegierten nicht mit. Die Energie, mit der Kraft den Saal erfüllt hat, sie ist erstmal verpufft.

Gabriel setzt auf die Sozialpolitik

Besser wird es dann wieder mit Sigmar Gabriel. Er ackert in seiner Rede alle Themen durch, mit denen die SPD bei der Bundestagswahl gegen Merkel punkten will: Mindestlohn, Frauenquote, höhere Steuern für Reiche. "Wir werden das Kernversprechen des Sozialstaats wieder einlösen", sagt der SPD-Chef. Wer arbeiten gehe, müsse davon auch leben können. Und dann greift er einen Wahlslogan auf, der von der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in die öffentliche Diskussion eingebracht und im Wahlkampf 2002 später auch von Union und FDP verwendet wurde. "Nicht das ist sozial, was Arbeit schafft, sondern das ist sozial, was Arbeit schafft, von der man leben kann!", sagt Gabriel. (Hier übrigens eine kurze Kulturgeschichte dieses Slogans).

Die SPD kämpfe daher für einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Wenn die SPD den Kanzler stelle, dann müsse sie den Kampf gegen die Armut aufnehmen und für gleiche Löhne von Frauen und Männern sorgen. Dieses Thema werde die SPD nach einer gewonnenen Bundestagswahl sofort angehen. Ferner wolle die SPD das von der jetzigen Bundesregierung beschlossene Betreuungsgeld wieder abschaffen und die Mittel in den Ausbau der Kinderbetreuung investieren. Der Koalitionsgipfel im Kanzleramt, bei dem diese Familienleistung beschlossen wurde, sei "Muttis letzter Kindergeburtstag" gewesen, bei dem Geschenke verteilt worden seien. "Die müssen weg, weil sie unverantwortlich mit unserem Land umgehen", sagt Gabriel mit Blick auf Union und FDP.

Steinbrück sei durch seine wirtschaftliche Kompetenz nicht nur "die richtige Person für das Kanzleramt, sondern auch die richtige Person zur richtigen Zeit". Es werde kein leichtes Regierung in den kommenden Jahren. "Die Zeiten sind stürmisch. Die Krise wird auch Deutschland erreichen", sagt der SPD-Chef. Europa stehe mitten in seiner größten Bewährungsprobe. Jetzt räche sich bitter, dass die Regierung von Angela Merkel nichts getan habe, damit Wachstum und Arbeit gefördert werden. Die SPD stehe dafür, dass sie in Umbruchzeiten Kurs halte, betonte Gabriel weiter. Dies hätten die SPD-Kanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gezeigt. In dieser Tradition werde auch Steinbrück der nächste Kanzler sein.

Und dann kommt er auf die Bühne. Peer Steinbrück. Auch er beginnt mit dem, was das große Thema der SPD im Jahr 2013 werden soll: dem Sozialen. Gerechtigkeit. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität seien Grundlage seiner Kandidatur. Als Bundeskanzler wolle er für gerechte Löhne, gleiche Löhne von Frauen und Männern sowie das Ende eines "Zwei-Klassen-Gesundheitssystems" sorgen.

Zweites Thema ist das NPD-Verbot. Steinbrück fordert die Bundesregierung auf, die Länder bei ihrem Verbotsantrag zu unterstützen: "Wir wissen, dass alleine rechtliche Schritte die braune Soße nicht eindämmen. Aber verzichten dürfen wir darauf nicht", so der designierte Kanzlerkandidat.

Willy Brandt und Helmut Schmidt

Obwohl Steinbrück in den Medien gerne eine große intellektuelle Nähe zu Helmut Schmidt nachgesagt wird, kommt dann zuerst in seiner Rede: Willy Brandt, der langjährige SPD-Chef, der Visionär, der einzige SPD-Chef, der es auch während der Kanzlerjahre schaffte, dass ihm die Herzen der Partei zuflogen. Wegen Brandt sei Steinbrück vor 43 Jahren einst in die SPD eingetreten.

Helmut Schmidt bekommt dann aber auch seine Ehrung: Der Altkanzler, der als Gast an dem Parteitag teilnimmt, habe Zeit seines Lebens bewiesen, dass er einen moralischen "Kompass" habe, der seine politischen Entscheidungen leite. Der 93-Jährige habe sich unschätzbare Verdienste um seine Partei und um Deutschland erworben. "Deshalb darf er im Fernsehen auch rauchen". Das lässt sich Schmidt natürlich nicht zweimal sagen - und steckt sich unter dem Jubel der Abgeordneten eine Zigarette an.

Und dann kommen Steinbrücks programmatische Inhalte. (Lesen Sie hier weiter)

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1545492
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/olkl/jasch
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.