Steinbach beleidigt Bartoszewski:Und täglich grüßt die "Kobra"

Steinbach, nächster Eklat: Die Vertriebenen-Präsidentin keilt gegen den polnischen Deutschland-Beauftragten Wladyslaw Bartoszewski - und empört damit Politiker aller Parteien.

Daniel Brössler

Mit beleidigenden Äußerungen gegen den polnischen Deutschland-Beauftragten Wladyslaw Bartoszewski hat Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach (CDU) erneut Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) herausgefordert. Die CDU-Bundestagsabgeordnete sagte am Donnerstag in der ARD: "Bartoszewski hat einen schlechten Charakter. Das sage ich ohne Wenn und Aber." Steinbach hatte nach interner Kritik an ihren Äußerungen zur Mobilmachung durch Polen im März 1939 ihren Rückzug aus dem CDU-Vorstand angekündigt. Mit Rücksicht auf den konservativen Parteiflügel setzten sich die CDU-Vorsitzende Merkel und Unions-Fraktionschef Volker Kauder bislang aber für einen Verbleib Steinbachs an der Fraktionsspitze ein.

Bundestag

Ihre Äußerungen über den polnischen Deutschland-Beauftragten stoßen bei Politikern auf Kritik: BdV-Präsidentin Erika Steinbach.

(Foto: dapd)

Die Diskussion über Steinbachs künftige Rolle entbrennt nun indes neu. Demonstrativ nahmen Koalitionspolitiker den 88-jährigen Bartoszewski gegen die Attacken Steinbachs in Schutz. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte nach Darstellung aus seiner Umgebung entsetzt auf die neuerlichen Ausfälle. Er schätze "Herrn Bartoszewski als eine ehrenwerte Persönlichkeit mit einer großen Lebensleistung für die deutsch-polnische Aussöhnung", ließ er am Rande des EU-Gipfels in Brüssel verlauten. Der ehemalige Auschwitz-Häftling Bartoszewski ist in der polnischen Regierung für Kontakte zu Deutschland und Israel zuständig.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), äußerte Bewunderung für den früheren polnischen Außenminister: "Ich habe großen Respekt vor dem Leben und der Lebensleistung von Bartoszewski. Angesichts des Leides, das ihm von Deutschen zugefügt wurde, bin ich besonders dankbar dafür, dass er sich für gute deutsch-polnische Beziehungen einsetzt." Mit "großer innerer Anteilnahme" habe er 1995 seine Rede vor dem Bundestag gehört. "Er ist ein Großer", sagte Polenz der SZ.

Auch Merkel würdigte Bartoszewski nach den Worten ihres Sprechers als "ehrenwerten Mann mit bewundernswerter Lebensleistung". Beim EU-Gipfel in Brüssel habe es eine herzliche Umarmung Merkels mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk gegeben.

Empörung über Steinbach herrscht in der FDP-Fraktion. "Mir fehlen die Worte", sagte deren europapolitischer Sprecher Michael Link. "Wer solche Vorwürfe erhebt, muss sich darüber im Klaren sein, dass sie auf ihn selbst zurückfallen", sagte er. Zum wiederholten Male zündele Steinbach am deutsch-polnischen Verhältnis. "Bartoszewski ist keine Privatperson, sondern ein Amtsträger", betonte Link.

Aus Sicht der Opposition ist Steinbach in ihren parlamentarischen Funktionen nicht mehr tragbar. "Es ist der Punkt erreicht, an dem eine Zusammenarbeit mit Steinbach im Menschenrechts-Ausschuss nicht mehr möglich ist", sagte der SPD-Obmann in dem Ausschuss, Christoph Strässer. "Frau Steinbach ist eine konservative Provokateurin", ergänzte der europapolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Axel Schäfer.

"Frau Steinbach hat in jeder Hinsicht den Bogen überspannt", sagte der Chef der Linksfraktion, Gregor Gysi, der SZ. "Sie ist aber weniger ein Problem für die Gesellschaft, sondern für die Union und deren Parteivorsitzende. Kanzlerin Merkel darf zu den Ausfällen nicht mehr schweigen. Sie muss erklären, was in der Union geht und was nicht", forderte er. "Wenn Merkel den Eindruck erwecken will, dass sie jetzt regiert, muss sie klare Kante gegenüber Frau Steinbach zeigen und sie ihrer Ämter als menschenrechtspolitische Sprecherin und Mitglied des Fraktionsvorstandes der Union entheben", forderte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck. "Jede Kobra wäre neidisch angesichts der Menge des Gifts, das Frau Steinbach in der Lage ist zu verspritzen", sagte er und beklagte "diese Respektlosigkeit gegen einen KZ-Überlebenden." Steinbach bewege sich "nicht mehr im demokratischen Verfassungsbogen" und müsse aus der Unionsfraktion ausgeschlossen werden.

Scharfe Kritik in Serie

Steinbach hielt Bartoszewski in der ARD vor, ihre Briefe nicht beantwortet zu haben. Bartoszewski hatte Steinbach wiederholt scharf kritisiert und sich vehement gegen eine Mitgliedschaft der Politikerin im Beirat der "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" ausgesprochen. Steinbach hatte nach der Wiedervereinigung im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt und später wegen der Haltung Polens zur Vertreibung der Deutschen die Aufnahme des Landes in die Europäische Union in Frage gestellt.

Bartoszewski ist eine der angesehensten Persönlichkeiten Polens. Er gehörte im Zweiten Weltkrieg zum Widerstand und nahm 1944 auch am Warschauer Aufstand teil. Später engagierte er sich für die Gewerkschaft Solidarnosc und wurde nach der demokratischen Wende Diplomat und Außenminister.

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