Stegners Baku-ReiseReden mit den Russen

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Nicht nur Ralf Stegner hat an den informellen Gesprächen teilgenommen.  Aber als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist er besonders angreifbar.
Nicht nur Ralf Stegner hat an den informellen Gesprächen teilgenommen.  Aber als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist er besonders angreifbar. (Foto: Tamir Kalifa/Getty)

Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner hat sich in Baku mit Vertretern aus dem Umfeld von Wladimir Putin getroffen, nun hagelt es Kritik.  Aber Stegner betont: Man brauche Gesprächskanäle nach Moskau.

Von Georg Ismar

Wer die Beteiligten auf die Reaktionen anspricht, die ihr Treffen mit Leuten aus dem Umfeld Wladimir Putins ausgelöst hat, hört vor allem Unverständnis. Die Berichterstattung sei tendenziös, die Debattenkultur in Deutschland schwarz-weiß – und: Was würde der Abbruch aller Kanäle nach Russland denn verbessern? Besonders Ralf Stegner als aktiver Berufspolitiker und Geheimdienst-Kontrolleur steht in der Kritik, weil er sich am 14. April mit Vertretern Russlands in Aserbaidschans Hauptstadt getroffen hat.

Auslöser ist ein Bericht des ARD-Magazins Kontraste und der Zeit über das Treffen. Der SPD-Außenpolitiker Stegner zählt zu denen, die immer wieder mahnen, man dürfe trotz des Kriegs in der Ukraine nicht alle Brücken zu Russland abreißen. Und so kam es in Baku zu einem Treffen, an dem von deutscher Seite neben Stegner auch der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), der ehemalige SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck und der Anwalt und CDU-Politiker Stephan Holthoff-Pförtner teilnahmen.

Was wurde besprochen, wer wusste Bescheid?

Auf russischer Seite waren unter anderem Ex-Ministerpräsident Wiktor Subkow dabei, der auch Aufsichtsratschef des Gazprom-Konzerns ist, zudem der Vorsitzende des Menschenrechtsrats beim russischen Präsidenten, Waleri Fadejew. Letzterer steht auf der EU-Sanktionsliste, was es besonders heikel macht. Beiden werden gute Verbindungen zu Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt. Anders als berichtet, übernachteten die deutsche und eine ebenfalls beteiligte Delegation aus der Schweiz aber nicht im noblen „Four Seasons“-Hotel, sondern in einem anderen Hotel. Bestritten wird auch, dass man mit den Russen bei einem Edel-Italiener gespeist habe.

Es bleiben aber eine Reihe von Fragen: Was wurde besprochen, wer seitens der Bundespolitik wusste Bescheid? Stegner hat schon so manchen Sturm ausgehalten, er beruft sich auf seine Rolle als frei gewählter Abgeordneter. Aber er sieht sich nun mit Pofalla, Platzeck und Holthoff-Pförtner zu einer Erklärung in eigener Sache genötigt. Zu den Grundsätzen guter Außenpolitik gehöre es, „dass auch und gerade in schwierigen Zeiten (…) Gesprächskontakte in alle Teile der Welt und auch nach Russland aufrechterhalten werden sollten“.

Gerade Stegner und Platzeck sehen sich da auch in der Tradition des SPD-Politikers Egon Bahr, der seinerzeit für Willy Brandt die neue Ost- und Entspannungspolitik vorbereitete. Im vergangenen Jahr war Stegner von Platzeck gefragt worden, ob er bereit sei, bei solchen informellen Gesprächen dabei zu sein. Früher hatte man dazu den Petersburger Dialog, ein regelmäßig stattfindendes Diskussionsforum, auch der neue Außenminister Johann Wadephul (CDU) war Mitglied.

Dieser Dialog war jedoch von deutscher Seite nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine aufgelöst worden. Aber Pofalla, sechs Jahre Vorsitzender des Lenkungsausschusses, und Platzeck bemühten sich weiter, nicht alle Verbindungen abzubrechen. So gab es seither drei Treffen mit russischen Vertretern, das jüngste erstmals auch mit Stegner.

Auch in Putins Umfeld gebe es „Falken und Tauben“, wird betont

Stegner informierte vor einiger Zeit den damaligen Fraktionschef Rolf Mützenich und den damaligen Kanzler Olaf Scholz über seine Bereitschaft, sich künftig aktiv daran zu beteiligen. Grundgedanke der Gespräche sei es zu verstehen, warum Russland so agiere, wie es agiere, sagt ein Beteiligter. Auch dort gebe es im Umfeld von Wladimir Putin „Falken und Tauben“. Energisch tritt Stegner seit Bekanntwerden des Treffens am 14. April dem Vorwurf der Naivität entgegen. Sicherheitsrelevante oder geheime Informationen seien weder ausgetauscht worden, noch hätten sie auf andere Weise abgeschöpft werden können, heißt es in der gemeinsamen Erklärung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach sollen auch die Mobiltelefone vor Ort ausgeschaltet gewesen sein.

Der Bundestagsabgeordnete steht besonders in der Kritik, weil er Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist. Es kontrolliert die Geheimdienste, er ist also in besonderer Form Geheimnisträger. „Ralf Stegner darf im neuen Bundestag nicht noch einmal für das Parlamentarische Kontrollgremium nominiert werden“, fordert bereits die FDP-Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Zudem könnte sich das Treffen für ihn als nachteilig bei der Besetzung für den Posten des neuen außenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion erweisen. Er und der Abgeordnete Adis Ahmetovic gelten dafür als Kandidaten.

Die Reise soll auch bei der nächsten Fraktionssitzung am Dienstag besprochen werden. SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine bemüht, mit der früheren Russlandpolitik zu brechen; eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung zu der Reise an Partei und Fraktion blieb zunächst unbeantwortet.

Stegner stellt klar: Es gab keine Geheimverhandlungen

Stegner, Platzeck, Pofalla und Holthoff-Pförtner betonen in ihrer Erklärung, solche Gesprächskontakte seien naturgemäß vertraulich, aber keine Geheimverhandlungen, „für die keiner von uns ein Mandat hätte und in die Regierungsstellen in keiner Weise involviert sind“. Politisch Verantwortliche hätten jedoch Kenntnis von diesen Gesprächskontakten, Regierungsvertreter hätten aber die Gespräche weder veranlasst noch vorbereitet oder unterstützt.

Begegnungen wie die vom 14. April beruhten auf einer privaten Initiative und würden „informell organisiert und finanziert“. Stegner beharrt darauf, Flug und Hotel selbst bezahlt zu haben. Und in der Erklärung wird betont: „Diese Gespräche können einen Beitrag dazu leisten, wechselseitig nützliche Kenntnisse und Einschätzungen über Verhältnisse, Haltungen und Entwicklungen zu befördern.“

So will man ausloten, ob jenseits der Drohungen aus Moskau noch einmal wie im Kalten Krieg eine friedliche Koexistenz gelingen kann, immerhin ist Russland eine Atommacht. Die Bemühungen sollen jedenfalls weitergehen. So will man etwa mit Historikern ausleuchten, wie es in den 1950er- und 1960er-Jahren nach dem Nationalsozialismus und dem von Deutschland ausgelösten Zweiten Weltkrieg gelungen ist, eine deutsch-russische Annäherung zu erreichen.

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