Mutmaßlich falsche Vorwürfe:Grüne erstatten Strafanzeige im Fall Gelbhaar

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Nach wie vor mit Anschuldigungen konfrontiert: der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar. (Foto: Annette Riedl/dpa)

Die Partei bleibt bei ihrer Aufstellung für die Bundestagswahl. Der Verkehrspolitiker wird nicht erneut fürs Parlament kandidieren. Mehrere Frauen halten an Vorwürfen gegen ihn fest.

Von Markus Balser und Vivien Timmler, Berlin

Die Grünen haben sich entschieden: Stefan Gelbhaar wird bei der kommenden Bundestagswahl nicht erneut für die Partei antreten. Sieben Frauen halten an Vorwürfen fest, die sie in den vergangenen Wochen gegen den Abgeordneten erhoben hatten. Das teilten die Grünen-Chefs Franziska Brantner und Felix Banaszak am Montag mit. Am Wochenende hatte zuvor eine Affäre um mutmaßlich erfundene Vorwürfe gegen Gelbhaar die Partei erschüttert.

„Selbstverständlich nehmen wir einen solchen Vorgang außerordentlich ernst“, sagte Banaszak. Dem Verkehrspolitiker sei durch mutmaßliche Falschaussagen schwerer Schaden zugefügt worden. „Wir bedauern das ausdrücklich.“ Der Schaden beschränke sich jedoch nicht auf Gelbhaar, der die Vorwürfe stets bestritten hatte. Die gesamte Aufklärung inklusive der „meldenden Personen, die das Ombudsverfahren als vertraulichen Raum angesehen haben“, sei beschädigt. Daher habe die Bundesgeschäftsstelle entschieden, ein neues Verfahren einzuleiten, so Banaszak. Es sei nicht mehr möglich, im laufenden Ombudsverfahren die Interessen aller Beteiligten zu wahren. Eine Kommission unter Führung der Ex-Justizministerin in Schleswig-Holstein Anne Lütkes und des nichtberuflichen Richters am Bayerischen Verfassungsgerichtshof Jerzy Montag solle die Vorwürfe nun aufklären, sagte Brantner.

„Von krimineller Energie und Niedertracht geprägt“

Überdies stellen die Grünen Strafanzeige im Fall Gelbhaar – sowohl gegen eine der Partei bekannte Person als auch gegen unbekannt. Am vergangenen Freitag hatte der öffentlich-rechtliche ARD-Sender Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) bekannt gegeben, dass die entscheidende Belastungszeugin Anne K., auf deren Aussagen er seine Berichterstattung über den Fall Gelbhaar gestützt hatte, nicht diejenige sei, als die sie sich ausgegeben habe. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit existiert diese Frau gar nicht“, teilte der RBB mit. Stattdessen stehe „zweifelsfrei“ fest, dass sich eine Bezirkspolitikerin der Grünen „dem RBB gegenüber als Anne K. ausgegeben hat und unter diesem Namen auch eine eidesstattliche Versicherung abgab“. Auch der Sender hat Strafanzeige gegen die Frau gestellt.

Am Samstag dann hatte die Berliner Bezirkspolitikerin Shirin Kreße ihrem Kreisvorstand mitgeteilt, ihr Mandat zum nächstmöglichen Zeitpunkt niederlegen zu wollen. Sie war zuletzt Fraktionsvorsitzende in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Mitte sowie Sprecherin für Gesundheit sowie Queerpolitik. Banaszak bestätigte am Montag erstmals indirekt, dass es sich bei ihr um die Person handele, die jene mutmaßlichen Falschaussagen getätigt habe. Ein Parteiausschlussverfahren gegen unbekannt „hat sich durch den Austritt bereits erledigt“, sagte er ohne den Namen der Frau zu nennen. Und weiter: „Ein solches Verhalten, das von krimineller Energie und Niedertracht geprägt ist, hat bei uns in der Partei keinen Platz.“

Die Grünen halten somit sowohl an ihrer Listenaufstellung als auch an der kurzfristig statt Gelbhaar gewählten Direktkandidatin für Pankow, Julia Schneider, fest. Der Verkehrspolitiker und Jurist, der für die Grünen seit 2017 im Bundestag sitzt und 2021 sogar eines der wenigen Direktmandate für die Partei holte, verliert damit endgültig die Chance auf einen Wiedereinzug ins Parlament.

Am Montagmittag hatte sich zuvor auch Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck erstmals zu den Vorgängen rund um Gelbhaar geäußert, nachdem er Fragen dazu zwei Tage lang ausgewichen war. Genau wie Spitzenkandidatin Annalena Baerbock, die am Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ sagte, sich „als Außenministerin“ nicht zu der Sache äußern zu können. „Die Vorgänge im Berliner Landesverband sind gravierend und auch schockierend“, sagte Habeck nun am Rande eines Auftritts in Berlin. „Es muss unbedingt schnell und rücksichtslos aufgeklärt werden, was da eigentlich passiert ist, und auch die Konsequenzen gezogen werden.“ Dem Grünen-Chef Felix Banaszak zufolge war Habeck „zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens eingebunden“.

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