Stauffenberg-Attentat:"Mein Großvater war kein Rechtsradikaler"

Claus Graf Schenk von Stauffenberg

Der spätere Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg als junger Offizier in den 1930er-Jahren

(Foto: picture alliance/dpa)

Am 20. Juli 1944 scheiterte Claus Schenk Graf von Stauffenberg mit seinem Attentat auf Hitler. Neue Rechte und AfD haben den Offizier für sich entdeckt und inszenieren ihn als rechtsnationalen Widerstandskämpfer. Sein Enkel findet das "abartig".

Interview von Julia Kitzmann

Alexander Gauland zählt ihn zu den hervorragenden Deutschen, Björn Höcke sieht ihn als Patrioten, für die rechtsgerichtete Zeitung Junge Freiheit ist er Vertreter eines "Aufstands des Deutschtums": Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der am 20. Juli 1944 mit einem Attentat auf Adolf Hitler scheiterte. Sein Enkel Karl Schenk Graf von Stauffenberg wehrt sich gegen die Vereinnahmung seines Großvaters. Er hat einen Verein gegen jegliche Form von Radikalismus gegründet und möchte vor den Gefahren warnen.

SZ: AfD und Neue Rechte sehen in Ihrem Großvater einen rechten Widerstandskämpfer. Björn Höcke hat ihn am 20. Juli 2016 für seinen "ehrlichen, wahren Patriotismus" gelobt. Wie stehen Sie dazu?

Karl Schenk Graf von Stauffenberg: Mein Großvater und sein Patriotismus werden vollkommen aus der Zeit herausgerissen. Die Menschen am Anfang des letzten Jahrhunderts sind in einem Europa aufgewachsen, das aus Nationalstaaten bestand, die sich mitunter feindlich gegenüberstanden. Hätte mein Großvater erlebt, dass wir seit 1945 zumindest im westlichen Europa in Frieden leben, so wäre er sicherlich kein Verfechter des Nationalstaates gewesen, als den die AfD ihn haben möchte.

Was Ihren Großvater für die Rechten interessant macht, ist außerdem seine antiliberale und außerparlamentarische Haltung.

Auch bei der Frage nach seiner demokratischen Gesinnung ist der Kontext entscheidend. Mein Großvater ist am Hof des Königs von Württemberg aufgewachsen und verbrachte dort seine bestimmt glücklichste Zeit. Die nicht funktionierende Weimarer Republik war seine erste Erfahrung mit einer Demokratie. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass er einer demokratischen Staatsform nur bedingt positiv gegenüberstand. Allerdings war es auch nicht so, dass er nach dem Putschversuch gegen Hitler ein Königreich oder eine neue Diktatur etablieren wollte.

Welche Strategie verfolgt die AfD, wenn sie auf Ihren Großvater als Vorbild verweist?

Die AfD möchte zweierlei erreichen: Zum einen will sie nationalistisch auftreten, aber nicht als rechts wahrgenommen werden. Deswegen versucht sie, den Patriotismus meines Großvaters und den Nationalliberalismus Gustav Stresemanns für sich zu vereinnahmen. Zum anderen will sie die Regierung Merkel als antidemokratisch und linksdiktatorisch hinstellen. Damit möchte die Partei dann rechtsextreme Gruppierungen ansprechen.

Was empfinden Sie dabei?

Ich finde es abartig, die Geschichte so zu verdrehen. In das Handeln und die Ansichten meines Großvaters eine nationalistische Gesinnung hineinzuinterpretieren und gleichzeitig das Dritte Reich als "Vogelschiss" zu bezeichnen (wie es Gauland getan hat; Anm. d. Red.) - das passt überhaupt nicht zusammen. Außerdem fordert die AfD eine Systemänderung. Damit kann nur eine Veränderung des Rechtsstaats gemeint sein. Und das wollte mein Großvater garantiert nicht. Ich möchte nicht zulassen, dass sie ihn in ihrem Sinne heroisieren.

Karl Graf Stauffenberg

Karl Graf von Stauffenberg ist politisch engagiert: Er kämpft gegen Radikalismus. Bei den bayerischen Landtagswahlen tritt er für die FDP an.

(Foto: Christian Reinhardt)

Hat Ihre Familie überlegt, rechtliche Schritte einzuleiten?

Da mein Großvater eine Person des öffentlichen Lebens ist, hat der Rechtsweg keinen Sinn. Wir haben in der Vergangenheit versucht, das ein oder andere zu unterbinden. Doch ob das Tom Cruise als Darsteller meines Großvaters ist (Tom Cruise spielte die Hauptrolle im Film "Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat"; Anm. d. Red.) oder Herr Gauland, der ihn für sich zu vereinnahmen versucht - wir haben wenig Chancen. Natürlich ist die Instrumentalisierung aber Thema bei uns. Wichtig ist, dass wir als Familie der Öffentlichkeit klarmachen: Mein Großvater war kein Rechtsradikaler.

Sie haben den Verein "Mittendrin statt EXTREM daneben" gegründet, mit dem Sie auf die Gefahren der Radikalisierung von Ideen und Religionen aufmerksam machen wollen. Welche Rolle spielte dabei das Erbe des Großvaters?

Das kann ich ganz schwer beantworten. Unsere Eltern haben uns bewusst dazu erzogen, politisch zu denken, aber nicht berufsmäßig Hinterbliebene zu sein und das Erbe zu verwalten. Ich könnte mir vorstellen, dass ich mit dieser Erziehung auch ohne den Namen Stauffenberg den Verein gegründet hätte.

Was möchten Sie mit Ihrem Verein erreichen?

Ich halte Vorträge vor Eltern, um diese zu sensibilisieren. Aber hauptsächlich gehen wir in Schulen. Wir wollen geschichtliche Aufklärung betreiben und darüber sprechen, wo Radikalisierung und Ausgrenzung anfangen. Etwa im Alltag, wenn ein Mädchen mit Kopftuch auf dem Schulhof gemieden wird. Ich möchte mit den jungen Leuten diskutieren und davor warnen, wie schnell Jugendliche radikalisiert werden können.

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