Süddeutsche Zeitung

Statistisches Bundesamt:Jede vierte Alleinerziehende ist arbeitslos

Die Mehrheit der Ein-Eltern-Familien hat kaum finanzielle Reserven, viele können sich nicht mal eine Woche Urlaub leisten.

Von Ulrike Heidenreich

Trotz des Kita-Ausbaus tun sich Alleinerziehende mit kleinen Kindern weiter schwer, erwerbstätig zu sein oder zumindest in Teilzeit zu arbeiten. Mehr als ein Viertel der alleinerziehenden Frauen ist 2017 arbeitslos gewesen. 55 Prozent dieser Mütter würden jedoch gerne einen Job annehmen. Als Hinderungsgründe geben sie familiäre oder persönliche Motive an. Dies geht aus Zahlen zur Situation von Alleinerziehenden hervor, die das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Berlin veröffentlicht hat.

Bei Müttern, die in einer Beziehung leben und nicht erwerbstätig sind, ist die Haltung laut Behörde eine andere: Von ihnen wünschen sich nur 29 Prozent einen Arbeitsplatz. Neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen. 1,5 Millionen Eltern in Deutschland leben mittlerweile allein mit einem oder mehreren Kindern in einem Haushalt. Auch wenn sie sich die Erziehung mit dem Ex-Partner oder einem neuen Partner teilen, gelten sie als alleinerziehend. Dies trifft mittlerweile auf jede fünfte Familie in Deutschland zu. Vor 20 Jahren waren es 200 000 alleinerziehende Haushalte weniger.

Das Armutsrisiko in diesen Ein-Eltern-Familien ist zwar leicht gesunken, es liegt aber doppelt so hoch wie in der übrigen Bevölkerung. Demnach waren im Jahr 2011 noch 37 Prozent von Armut bedroht, bis 2016 ging diese Quote auf 33 Prozent zurück. Finanziell stünden Alleinerziehende "nach wie vor oftmals schlechter da als Menschen, die in anderen Familienformen leben", sagte der Präsident des Statistikamtes, Georg Thiel. So gaben zwei Drittel der alleinerziehenden Eltern an, nicht die Mittel zu haben, unerwartete Ausgaben in Höhe von 1000 Euro zu bestreiten. Dass ihre Eltern knapp bei Kasse sind, spüren Kinder gerade jetzt in den Ferien deutlich: 39 Prozent der Alleinerziehenden können sich noch nicht einmal eine einwöchige Urlaubsreise leisten. Im Vergleich dazu bleiben von der Gesamtbevölkerung nur 19 Prozent im Urlaub unfreiwillig zu Hause.

Dass das Armutsrisiko bei Alleinerziehenden leicht gesunken ist, führen die Statistiker auf Weichenstellungen der vergangenen Jahre zurück: Familienpolitische Maßnahmen würden langsam greifen. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) kündigte unterdessen weitere Reformen an: Sie will den Kinderzuschlag erhöhen, den Familien mit niedrigem Einkommen erhalten. In Arbeit ist das Gesetz für eine verbesserte Kita-Betreuung. "Gerade Alleinerziehende sind angewiesen auf gute Kindertagespflege." Die Diakonie Deutschland fordert eine staatliche Kindergrundsicherung. Nur so könnten die Kinder von Alleinerziehenden unter gleichen Bedingungen aufwachsen wie ihre finanziell bessergestellten Altersgenossen. Mehr Hilfen bei Hausaufgaben oder kostenlose Mittagessen müssten dazukommen.

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Quelle:
SZ vom 03.08.2018
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