Die Ära des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten geht dem Ende entgegen. Was Barack Obama erreichen wollte, wie sich seine Ziele änderten und was bleibt lässt sich an den Reden zur Lage der Nation ablesen. Eine Bilanz.

2009
Der frisch gewählte Präsident hält keine offizielle "State of the Union"-Rede, er ist zu diesem Zeitpunkt erst wenige Wochen im Amt. Der frisch und beinahe jugendlich wirkende Obama konzentriert sich vor dem Kongress auf die Wirtschaftskrise und verspricht, Amerika "wieder aufzubauen". Er verteidigt die Bankenrettung und kündigt an, das "Zeitalter der Gier" zu beenden. Außenpolitische Themen spielen keine Rolle. Seine Zustimmungsrate liegt bei 64 Prozent (Gallup).

2010
"Der schlimmste Teil des Sturms ist vorbei", proklamiert Obama. Die "große Rezession" ist zu Ende, doch noch entstehen wenig neue Arbeitsplätze. Der US-Präsident bemüht sich angesichts wachsender Kritik, Wirtschaftskompetenz zu zeigen, klagt über Republikaner und abtrünnige Demokraten im Senat, die neue Gesetze verhindern. Und er kritisiert den Obersten Gerichtshof offen für die Entscheidung, millionenschwere Wahlkampfspenden von Interessengruppen zuzulassen. Seine Zustimmung ist auf 48 Prozent gesunken.

2011
"Die Zukunft gewinnen", so lautet die Marschroute. In der Gegenwart haben die Republikaner inzwischen die Mehrheit im Repräsentantenhaus und Sitze im Senat gewonnen. Obama verteidigt seine 2010 beschlossene Gesundheitsreform Obamacare, bleibt aber vage, wenn es um neue Projekte geht. Er beschwört den "Sputnik-Moment unserer Generation", die Fähigkeit Innovationen zu sichern. Seine Zustimmung liegt bei 50 Prozent.

2012
Wahljahr in den USA - Obama eröffnet den Wahlkampf mit einer kämpferischen Rede, in der er die Einkommensungleichheit im Land thematisiert. Der 50 Jahre alte US-Präsident, dessen Haare langsam ergrauen, präsentiert sich als Verteidiger des arbeitenden Amerikas. Er verspricht die Rücknahme von Steuererleichterungen für Reiche und fordert Unterstützung für Fort- und Ausbildung. Außenpolitisch hebt er das vermeintliche Ende der Kriege in Irak und Afghanistan hervor, aber auch die Tötung Osama bin Ladens. Zustimmung für seine Amtsführung: 45 Prozent.

2013
Wiedergewählt und voller Tatendrang: Obama thematisiert Gesetze gegen Waffengewalt (" die Opfer verdienen es, dass über neue Regeln abgestimmt wird"), eine Einwanderungsreform und fordert einen besseren Mindestlohn und Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern. "Wir haben gemeinsam die Trümmer der Krise beseitigt", stellt der Präsident angesichts ordentlichem Jobwachstums fest. Er wirft die Frage auf, welche Rolle der Staat bei der Sicherung des Wohlstands spielt. Zustimmung laut Umfragen: 51 Prozent.

2014
"Jahr der Taten": Nachdem die Republikaner seine Politik im Kongress blockieren und die Umfragewerte sinken, kündigt Obama an, künftig auch per Präsidentenverordnung regieren zu wollen. Erneut stellt der US-Präsident die Ungleichheit in den Mittelpunkt und verspricht einen höheren Mindestlohn (für Mitarbeiter von Firmen, die Bundesaufträge ausführen). Die NSA-Spionage verteidigt er. Zurückhaltend ist er bei den Themen Waffenkontrolle und Einwanderungsreform - für beides findet er in seiner Amtszeit keine Mehrheit mehr. Zustimmung für ihn: 45 Prozent.

2015
Der US-Präsident regiert inzwischen gegen eine republikanische Mehrheit in beiden Kammern, die Spuren des Amtes sind auch in seinen Gesichtszügen zu erkennen. "Stellt euch vor, wir würden diese lahmen alten Muster hinter uns lassen", appelliert er nochmals. Vor allem aber zieht er bereits Bilanz: "Die Schatten der Krise sind vorbeigezogen", sagt er. Dass die "Zeit des Terrorismus" vorbei sei, wirkt aus heutiger Sicht viel zu voreilig. Historisch ist etwas anderes: Erstmals nimmt ein Präsident in der State of the Union die Worte "schwul", "lesbisch" und "transgender" in den Mund - wenige Monate später wird der Oberste Gerichtshof die "Ehe für alle" erlauben. Zustimmung 49 Prozent.

2016
Der US-Präsident verzichtet in seiner letzten Rede zur Lage der Nation auf konkrete Ankündigungen und blickt in die Zukunft: Klimawandel, Krebs und den "Islamischen Staat" hält er für die Gegner, die es zu bezwingen gilt. Und er bereut, dass während seiner Amtszeit "Groll und Misstrauen zwischen den Parteien schlimmer statt besser geworden ist." Der ergraute Präsident fordert, mehr für die demokratische Kultur zu kämpfen - und ruft Amerika ein überzeugtes "Ich glaube an dich" zu. Zustimmung: 45 Prozent.