Am Tag nach dem Wochenende, das das Zeug dazu hat, als historisch eingestuft zu werden, begann in London, Paris und anderswo die Aufarbeitung. Es sei „wichtig, das Momentum auszunutzen“, sagte der Sprecher des britischen Premierministers Keir Starmer am Montag. Am Nachmittag fasste Starmer selbst im Unterhaus die Ereignisse der vergangenen Woche zusammen, seinen Besuch in Washington, sein Telefonat mit Donald Trump am Samstagabend sowie den Gipfel vom Sonntag im Lancaster House in London, zu dem 18 Staats- und Regierungschefs angereist waren. Dabei verwies Starmer erneut auf das wichtigste Ergebnis des Gipfels: die neue „Koalition der Willigen“, die für Frieden in der Ukraine sorgen soll. Ausdrücklich betonte er dabei, dass dies die USA nicht ausschließe, im Gegenteil: Es sei wichtig, „im Gleichschritt mit der US-Regierung“ zu arbeiten.
Noch Sonntagnacht hatte Wolodimir Selenskij, der ukrainische Präsident, vor seinem Rückflug vom Londoner Flughafen Stansted aus die Botschaft hinterlassen, er sei bereit, den von US-Präsident Donald Trump geforderten Rohstoffdeal zu unterzeichnen. Außerdem hoffe er auf ein persönliches Gespräch mit Trump. Die offene Runde, wie sie am Freitag im Oval Office stattgefunden hatte, sei kein gutes Format, „unfreundliche Leute“ können daraus Profit ziehen, sagte Selenskij, ohne näher darauf einzugehen, wen er damit meint. Vom britischen Nachrichtensender Sky News nach seiner eigenen Zukunft gefragt, sagte Selenskij: Wenn sein Rückzug die Nato-Mitgliedschaft für sein Land bedeute, betrachte er sich als „austauschbar“. Allerdings, fügte er an, ihn davon zu überzeugen, dass er bei Neuwahlen nicht mehr kandidiere, wäre „etwas schwieriger“.
Starmer betonte allerdings am Montag erneut das ultimative Ziel, in der Ukraine einen „dauerhaften Frieden“ zu erreichen, und zwar gemeinsam mit Selenskij. Zur Finanzierung des neuen britischen Kredits in Höhe von 2,7 Milliarden Euro für Kiew würden Teile der eingefrorenen russischen Vermögenswerte verwendet, das Finanzministerium habe „einen Weg gefunden, dies umzusetzen“. Großbritannien sei zur Sicherung des Friedens weiterhin bereit, „Truppen am Boden und in der Luft“ bereitzustellen. Wer sich dem in der „Koalition der Willigen“ anschließe, wollte Starmer nicht kommentieren, es liege an den einzelnen Ländern selbst, sich dazu zu äußern.
Dass Frankreich sich zu einem wichtigen Mitglied dieses neuen Bündnisses zählt, steht dabei außer Frage. Präsident Emmanuel Macron selbst hatte sich schon auf dem Weg zum Gipfel in London der französischen Zeitung Le Figaro anvertraut - „im Falcon über dem Ärmelkanal“, wie diese berichtete. Man arbeite am Plan für einen einmonatigen Waffenstillstand „in der Luft, auf See und bei den Energieinfrastrukturen“, sagte Macron demnach. Keir Starmers Sprecher bestätigte am Montag lediglich, die Idee eines einmonatigen Waffenstillstands sei „eine von mehreren Optionen auf dem Tisch“. Europäische Truppen in der Ukraine sieht Macron wie auch Starmer erst danach, wenn sich die Waffenruhe bewährt haben sollte, „also nicht in den kommenden Wochen“, wie Macron sagte.
Zudem skizzierte er mittelfristige Pläne für die Zukunft der europäischen Verteidigung. „Russland investiert seit drei Jahren zehn Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung - wir müssen ein Ziel von drei bis 3,5 Prozent anstreben“, und zwar jedes Land für sich. Auf europäischer Ebene seien fürs Erste „sicher mal 200 Milliarden Euro“ an Investitionen nötig, sagte Macron. Man müsse diese Mittel mit innovativen finanziellen Instrumenten mobilisieren, es gebe auch genügend EU-Fonds, die ungenutzt seien. Das hochverschuldete Frankreich schaffte es zuletzt nur mit Mühe, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aufzubringen.
In Frankreich wird über die nukleare Souveränität des Landes debattiert
Macron wiederholte dann erneut, er wünsche sich „eine offene Diskussion“ über die Ausweitung des französischen Atomschirms auf Europa. Man könne sich auch vorstellen, nukleare französische Sprengkörper in anderen europäischen Ländern zu stationieren, wie das die Amerikaner gemacht hätten, um diese in der Not zu ersetzen. In Frankreich selbst hat dieses Angebot des Präsidenten eine heftige Debatte über die nukleare Souveränität des Landes ausgelöst. Nicht nur die extreme Rechte von Marine Le Pen wehrte sich wortreich gegen eine „Teilung“ der französischen Atommacht. Auch François Hollande, Macrons sozialistischer Amtsvorgänger, sagte am Montag, die nukleare Abschreckung teile man nicht, die sei von Natur aus national.
Macron und die anderen EU-Regierungschefs versammeln sich am Donnerstag zu einem weiteren Gipfel, diesmal in Brüssel, naturgemäß dann ohne Keir Starmer. Die britische Regierung nimmt derweil die Gespräche mit der US-Regierung wieder auf: Verteidigungsminister John Healey reist Mitte der Woche nach Washington, um sich mit dem US-Verteidigungsminister Pete Hegseth zu treffen.