Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger will ihre Staatssekretärin Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand versetzen lassen. Darum habe sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gebeten, teilte die FDP-Politikerin am Sonntagabend über ihr Ministerium mit.
Hintergrund ist ein Prüfauftrag zu möglichen Konsequenzen für Hochschullehrer, die einen offenen Brief zum Umgang mit propalästinensischem Protest an Berliner Hochschulen unterzeichnet hatten. „Die Wissenschaftsfreiheit ist ein sehr hohes Gut und zu Recht verfassungsrechtlich geschützt“, erklärte Stark-Watzinger. Der entstandene Eindruck sei geeignet, das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das Bundesbildungsministerium „nachhaltig zu beschädigen“.
Der Ministerin zufolge ist der entstandene Eindruck falsch
Stark-Watzinger hatte den Brief öffentlich kritisiert. Kürzlich berichtete das ARD-Magazin „Panorama“ unter Berufung auf interne E-Mails, im Bildungsministerium sei hausintern um eine Prüfung gebeten worden, ob als Konsequenz aus dem Brief Fördermittel gestrichen werden können. Dies hatte Kritik ausgelöst. „Ich habe veranlasst, dass der Sachverhalt gründlich und transparent aufgearbeitet wird“, erklärte Stark-Watzinger. „Fest steht, dass eine Prüfung potenzieller förderrechtlicher Konsequenzen bei den zuständigen Fachreferaten in der Tat erbeten wurde.“
Die für die Hochschulabteilung zuständige Staatssekretärin Döring habe den Prüfauftrag veranlasst. „Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe. Gleichwohl wurde der Eindruck erweckt, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erwogen werde.“ Das widerspreche den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit, so die FDP-Politikerin. „Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt“, betonte Stark-Watzinger.
In einem „Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten“ hatten mehr als 100 Dozenten von mehreren Berliner Hochschulen im Mai die Räumung eines Protestcamps propalästinensischer Demonstranten an der Freien Universität Berlin kritisiert. Stark-Watzinger hatte damals entsetzt auf den Unterstützerbrief reagiert. „Es macht mich bis heute fassungslos, wie einseitig in diesem Brief der Terror der Hamas ausgeblendet wurde“, erklärte sie nun.
„Und wie dort etwa pauschal gefordert wurde, Straftaten an den Universitäten nicht zu verfolgen, während gleichzeitig antisemitische Volksverhetzung und gewalttätige Übergriffe gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu beobachten sind.“ Einen Aufruf, der der Ministerin Stark-Watzinger selbst den Rücktritt nahelegt, haben inzwischen mehr als 2700 (Stand Sonntagnacht) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschrieben.
Die Ministerin sieht jedoch keinen Grund, ihr Amt niederzulegen. „Dazu sehe ich keine Veranlassung“, sagte sie am Montag vor Journalisten in Berlin. „Ich habe den betreffenden Auftrag, förderrechtliche Konsequenzen prüfen zu lassen, nicht erteilt und auch nicht gewollt“, sagte die Ministerin. Zu weiteren Hintergründen äußerte sie sich trotz mehrfacher kritischer Nachfragen nicht.
Döring dürfe kein Bauernopfer sein, heißt es in der SPD
Aus der Bundespolitik kommen unterschiedliche Reaktionen auf die Entscheidung der Bildungsministerin, sich von ihrer Staatssekretärin zu trennen. „Wer Gesinnungsprüfungen gegen frei denkende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anregt und erwägt, Fördergelder zu kürzen, ist in einem Bundesministerium nicht tragbar“, teilte SPD-Bildungspolitikerin Carolin Wagner der Süddeutschen Zeitung mit. „Die Ministerin muss dankbar sein, dass die Kontrollmechanismen in ihrem Haus funktionieren und besonnene Mitarbeitende die Pläne gestoppt haben.“ Wichtig sei, „dass Frau Döring kein Bauernopfer ist“. Stark-Watzinger müsse die Vorgänge lückenlos aufklären und Stellung beziehen.
Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, rief Stark-Watzinger zu weiteren Konsequenzen auf. Ein personeller Neuanfang im Bildungsministerium sei notwendig, teilte er mit. Die Ministerin „muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen“. Mit ihrer Ansage in der Bild-Zeitung, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden, habe sie die Richtung für das Ministerium vorgegeben, die ihre Beamten dann umgesetzt hätten.