Star Wars:Mächtiger als Homer

Es gibt kaum eine Saga vom Kampf des Guten gegen das Böse, die so viele Menschen in allen Ecken der Welt erreicht, fasziniert und geprägt hat wie Star Wars. Der Krieg der Sterne hat die Kultur des Westens geprägt und globalisiert.

Von Kurt Kister

In diesem Jahr gab es etliche Anlässe, darüber nachzudenken, was Menschen in einem Land oder in einem Kulturkreis miteinander verbindet. Es war viel von der Identität des Westens die Rede. Schon der Begriff "der Westen" ist ein Versuch, jenseits von Religion und Nationalgeschichte eine auf ideellen Werten begründete Gemeinschaft zu beschreiben. Der Westen war einst das Abendland, der Okzident, und er stand oft auch im Konflikt mit dem Orient. Später war der Westen jenseits der realen Geografie das Synonym für jene Hemisphäre, die von der Vormacht USA in vielerlei Hinsicht dominiert wurde.

An diesem Wochenende wird auf eine eher unpolitische Art sehr deutlich, was auch zum Westen gehört. In den Kinos eines großen Teils der Welt ist der siebte "Star Wars"-Film angelaufen. Die ökonomische Bedeutung dieses Ereignisses für den globalisierten US-Konzern Disney ist das eine. Das andere aber ist das Phänomen, dass kein Produkt der modernen Kulturindustrie Hirne und Herzen so vieler Menschen rund um die Welt so sehr beeinflusst hat wie Star Wars.

Schon in den Zeiten der vordigitalen, nicht vernetzten Massenkultur hat das beliebig erweiterbare Epos um Diktatur und Freiheit im All viel mehr Menschen erreicht als nur die Nerds. Von denen gibt es bis heute nicht wenige; sie kostümieren sich als Stormtrooper, Darth Vader oder Jedi. Das Verhalten, sich mit dem Objekt der Zuneigung, gar der Begierde sehr zu identifizieren, kennt man aus der Südkurve der Fußballstadien oder dem Fanblock einer Rockband.

Das Universum von Star Wars aber ist nicht nur bei Fans und Nerds von Bedeutung. Seine Begrifflichkeiten - und damit die hinter diesen Begrifflichkeiten liegenden Ideen - haben Einzug in die Alltagswahrnehmung gefunden. Ein gutes Beispiel dafür ist die "dunkle Seite der Macht". Millionen jüngere Menschen glauben zu wissen, dass "die" Macht nur zwei Seiten hat. In der Star-Wars-Saga bekämpfen sich, auf beste manichäische Art, die Kräfte der Finsternis und des Lichts. Zwischenstadien, ehrliche Kompromisse und dergleichen gibt es kaum.

Nun gehört eine Schwarz-Weiß-Welt in brillantem HD-Technicolor zwar auch zu anderen modernen Mythen, etwa zu Harry Potter oder der filmischen Umdeutung des "Herrn der Ringe". Aber selbst diese beiden imaginierten Welten haben nicht die Reichweite und Durchschlagskraft des Kriegs der Sterne - nicht im Merchandising und schon gar nicht in der Formung von Wahrnehmung.

Die Mythen-Welt der Filme prägt die Kultur des Westens und globalisiert sie

Viele, die das Wort "Roboter" hören, denken an R2D2 oder an C-3PO. Ähnlich ist es mit anderen Begriffen, die mit Figuren oder Ereignissen aus dem Star-Wars-Imperium besetzt sind. Je nachhaltiger Menschen mit Bildern im Zusammenhang mit bestimmten Begriffen konfrontiert werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie diese Begriffe mit den Bildern dauerhaft assoziieren - zumal dann, wenn sie die einschlägigen Bilder gerne sehen. Und weil die Star-Wars-Welt als Filme, Figuren, Fotos, Begriffe und tausenderlei andere Artefakte seit Jahrzehnten nahezu überall präsent ist, hat Star Wars die Kultur des Westens gleichzeitig mitgeprägt und verbreitet. Es ist, das mögen manche nicht gerne hören, mittlerweile ein wirkmächtigerer Mythos als Homers Helden oder die Edda.

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