Standort Deutschland:Behäbig? Von wegen!

Überraschung: Die deutsche Wirtschaft ist Weltmeister der Innovation. Der Staat muss ihr nun dringend mit Investitionen helfen.

Von Caspar Busse

Es wird viel geklagt in Deutschland. Das Ausbildungssystem: schlecht, die Schulen: in ungenügendem Zustand. In die Infrastruktur müsse mehr investiert werden, die Energiewende komme nur langsam voran, heißt es. Und auch beim Internet hinke Deutschland hinterher, der Ausbau schneller Datenverbindungen lasse sehr zu wünschen übrig, ganze Landstriche seien noch nicht an das Hochgeschwindigkeitsnetz angebunden. All diese Klagen sind auch durchaus berechtigt, denn einiges liegt hierzulande im Argen. Und doch ist Deutschland besser, als viele Deutsche glauben.

Die Bundesrepublik schneidet im jüngsten, viel beachteten Report zur weltweiten Wettbewerbsfähigkeit, den das Weltwirtschaftsforum jedes Jahr veröffentlicht, sehr gut ab. Deutschland liegt in dem Ranking auf Platz drei, hinter den USA und Singapur. Und bei Innovationen ist die deutsche Wirtschaft sogar ganz vorne, Weltmeister! Die Ergebnisse des Rankings, das durchaus ernst zu nehmen ist, mögen für manche überraschend sein, aber sie zeigen, auf welchem stabilem Fundament die Wirtschaftsentwicklung noch immer steht.

Deutschland als behäbiges Industrieland, unfähig zur Erneuerung? Das kann vielleicht für die Autoindustrie und deren Zulieferer gelten, zweifellos der wichtigste Wirtschaftszweig. Die Hersteller sind bei der Elektromobilität mittlerweile sehr in der Defensive und verlieren möglicherweise bald den Anschluss. Aber die deutsche Wirtschaft ist deutlich mehr als Autos. Die Bundesrepublik wird von weltweit erfolgreichen Konzernen aus ganz verschiedenen Branchen getragen, wie Siemens, BASF, Bayer, der Deutschen Post oder Adidas. Vor allem besteht sie auch aus einer sehr breiten Basis mittelgroßer und großer Unternehmen, dem berühmten Mittelstand, den es in dieser Form nur in wenigen Industrienationen gibt. Hier finden sich nach wie vor viele Stars im Verborgenen, sogenannte "hidden champions", die in ihrem Sektor weltweit führend sind. Das fällt nur nicht so auf, weil sie nicht so spektakulär und auf Massenmärkten tätig sind wie Facebook, Amazon, Apple oder Google.

Unterschätzt wird vor allem das Thema Industrie 4.0, also die Digitalisierung der gesamten Produktionsabläufe. Hier hat Deutschland mit seiner starken Maschinenbauindustrie viele Möglichkeiten. Nur wer produziert und "Industrie" versteht, kann die Fertigung auch in eine neue Zeit führen. Nicht umsonst loben die Forscher des Weltwirtschaftsforums vor allem das hohe Ausbildungsniveau in Deutschland, die gesamtwirtschaftliche und finanzielle Stabilität des Landes und die Geschäftsdynamik. Es gibt viele Ingenieure, und Innovationen ließen sich in Deutschland besonders schnell umsetzen, heißt es anerkennend.

Das Ergebnis des Rankings ist erfreulich. Hohe Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit kann Arbeitsplätze sichern und damit den Wohlstand aller garantieren. Es wäre aber grundlegend falsch, sich darauf auszuruhen. Deutschland muss weiter und rasch investieren, vor allem in die Infrastruktur, in Bildung und schnelles Internet. Die Politik muss schnell handeln statt, wie es derzeit in Berlin der Fall ist, zu streiten und zu lamentieren. Denn ein Vorsprung ist schnell dahin - und das weltweite Wirtschaftsklima wird angesichts von Handelsstreitigkeiten, zunehmendem Populismus und einem drohenden Wirtschaftsabschwung immer rauer.

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