Süddeutsche Zeitung

Stand der Koalitionsverhandlungen:Union und SPD vereinbaren Frauenquote - und streiten über die Pflege

Es wird um jeden Punkt gerungen, doch zumindest in Sachen Frauenquote haben sich Union und SPD jetzt geeinigt. Bei anderen Themen sieht es weniger gut aus. So sind die Fronten beim Streit über die künftige Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung verhärtet. Und auch in der Familienpolitik sind einige heikle Fragen weiterhin offen.

Die Quote kommt: In der Arbeitsgruppe Familie, Frauen und Gleichstellungspolitik haben Union und SPD sich auf eine Frauenquote geeinigt. Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen müssten ab 2016 einen weiblichen Anteil von mindestens 30 Prozent aufweisen, teilte die SPD-Unterhändlerin in der zuständigen Arbeitsgruppe, Manuela Schwesig, am frühen Montagmorgen in Berlin mit.

Nach dem Durchbruch bei der Frauenquote sprach Unions-Unterhändlerin Annette Widmann-Mauz (CDU) von einer "vernünftigen Regelung im Sinne der Frauen". Über das Thema wird schon seit Jahren gestritten, in der scheidenden Regierung war die Union intern darüber uneins. Nach der in der Arbeitsgruppe getroffenen Einigung ist für Vorstände und obere Managementebenen eine sogenannte gesetzliche Flexi-Quote vorgesehen.

Die börsennotierten Unternehmen müssten demnach selbst "verbindliche Zielgrößen" für einen höheren Frauenanteil festlegen, teilten beide Unterhändlerinnen mit. Schwesig sprach von einem "wichtigen Signal, um die Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern".

Weitere Einigungen der Arbeitsgruppe: Eltern sollen künftig bis zu 28 Monate ein "Elterngeld Plus" erhalten, wenn sie nach der Geburt ihrer Kinder in Teilzeit in den Beruf zurückkehren. Wenn sich beide Elternteile um die Betreuung kümmern und dafür in Teilzeit arbeiten, soll es einen Bonus von zehn Prozent geben. "Damit unterstützen wir insbesondere Mütter beim Wiedereinstieg in den Beruf", sagte Widmann-Mauz.

Betreuungsgeld bleibt Streitpunkt

Auch den schon vorhandenen Rechtsanspruch auf eine bezahlte Pflege-Auszeit wollen CDU, CSU und SPD in einer großen Koalition erweitern. Angehörige sollen zur Pflege eines Angehörigen zehn Tage lang eine Lohnersatzleistung erhalten. Dies sei ein "Meilenstein", der mit der FDP nicht möglich gewesen sei, sagte Widmann-Mauz.

Mit ihrer Forderung, das umstrittene Betreuungsgeld zu ändern, stieß die SPD bei den Unions-Unterhändlern auf Widerstand. Für ihre Forderung, das Geld besser in die Qualitätsverbesserung für Kitas zu stecken, habe es "keine Zustimmung bei der Union gegeben", sagte Schwesig. Ebenso strittig bleibe das Adoptionsrecht für Homosexuelle.

Auch im Ringen von Union und SPD um die künftige Finanzierung von Kranken- und Pflegeversicherung ist kein Durchbruch abzusehen: Sie seien "in der Sache nicht weitergekommen", sagte SPD-Verhandlungsführer Karl Lauterbach nach einem Treffen der zuständigen Koalitionsarbeitsgruppe am späten Sonntagabend in Berlin.

Ohne Annäherungen beim nächsten Treffen am Montag müssten sich die Parteivorsitzenden der Sache annehmen. Bei Pflege und Krankenkassen lägen beide Seiten noch "weit auseinander", sagte Unions-Unterhändler Jens Spahn. Ein Hauptstreitpunkt waren die Zusatzbeiträge, die die Krankenkassen von ihren Mitgliedern zum Stopfen von Finanzierungslücken erheben können. Es sei eine "ganz harte Forderung" der SPD, dass der Zusatzbeitrag am Schluss abgeschafft werden müsse, sagte Lauterbach.

Ansonsten drohten in drei bis vier Jahren Zusatzbeiträge für jeden Versicherten von monatlich 30 Euro. "Das ist für Rentner überhaupt nicht bezahlbar." Die Folge wäre, dass Krankenkassen in die Insolvenz gehen oder notfusioniert werden müssten.

Uneinigkeit auch beim Thema Pflege

Spahn verteidigte die Zusatzbeiträge dagegen als "starkes Wettbewerbselement", das den Kassen eine Finanzautonomie gebe. Er bekräftigte, dass die Union jeden Einstieg in eine einheitliche Bürgerversicherung, wie sie die SPD anstrebt, "entschieden" ablehne. "Wir wollen auch keinen Einstieg, welcher Art auch immer."

Zweiter Kernstreitpunkt war die Finanzierung der Pflege. Hier lehne die SPD den Unionsvorschlag nach einer stärkeren Kapitaldeckung ab, sagte Lauterbach. Die Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege kommt am Montagabend erneut zusammen.

Beide Unterhändler äußerten am Sonntagabend Zweifel, ob dabei Einigungen in den wichtigen Fragen erzielt werden könnten. Falls nicht, müssten sich die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD über das Dossier beugen, sagte Lauterbach.

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