Städte und Gemeinden:Fragen und Antworten zu Faesers Flüchtlingsgipfel

Städte und Gemeinden: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Bürgermeister und Landräte wissen oft nicht mehr, wie sie Schutzsuchende unterbringen sollen. Dabei fehlt es nicht nur an Geld, die Ursachen liegen tiefer. Ein Überblick.

Von Jan Bielicki

Die Notunterkünfte "am Limit", die Unterbringung von Flüchtlingen "kaum noch zu stemmen" - Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister von Münster, hat angesichts weiter hoher Fluchtzahlen vor einer Überforderung der Städte und Gemeinden gewarnt. Auch andere Bürgermeister und Landräte schlagen Alarm. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will Vertreter der Kommunen noch im Februar zum Spitzengespräch laden. Wo liegen die Probleme bei der Aufnahme von Geflüchteten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie viele geflüchtete Menschen nehmen die Kommunen auf?

Sehr viele. Wie viele genau, ist weniger klar. Seit Russlands Angriff wurden im Ausländerzentralregister mehr als eine Million aus der Ukraine geflüchtete Menschen registriert. Etliche von ihnen könnten jedoch wieder heimgekehrt oder weitergereist sein. Dazu kommen noch Geflüchtete aus dem Rest der Welt: Knapp 218 000 Menschen haben 2022 einen Erstantrag auf Asyl gestellt, so viele wie seit dem Flüchtlingswinter 2015/16 nicht mehr. Zwar bleiben Asylbewerber während ihres Verfahrens zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder. Aber nach einem Entscheid müssen die Städte und Landkreise sie unterbringen. Für manche Landräte bedeutet das: Alle ein, zwei Wochen fährt ein Bus mit 50 Menschen bei ihnen vor, für die sie Unterkunft und Verpflegung parat haben müssen.

Wo kommen die Menschen unter?

In Wohnungen, in angemieteten Hotels oder, allzu oft, in Gebäuden, die zu Gemeinschaftsunterkünften umgebaut wurden. Immer öfter stellen Städte und Kreise auch Wohncontainer auf, mancherorts sind sogar schon wieder Turnhallen zu Notquartieren umgewidmet. Einer Umfrage unter ukrainischen Flüchtlingen zufolge leben jedoch drei Viertel von ihnen in Wohnungen, von denen wiederum ein Viertel bei Verwandten und 15 Prozent bei anderen Leuten.

Wer bezahlt das?

Die Debatte kreist um die Frage, aus welcher Tasche des Steuerzahlers das Geld kommen soll. Menschen aus der Ukraine haben zwar Anspruch auf Bürgergeld, auch ihre Mieten zahlt das Jobcenter. Dazu hat der Bund 2022 den Kommunen über die Bundesländer zwei Milliarden Euro für weitere Kosten der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge zukommen lassen. Ein Loch in die kommunalen Kassen reißt aber die Unterbringung der übrigen Flüchtlinge. Denn die deckt der Bund nach Rechnung des Deutschen Landkreistags nicht mehr komplett, wie bis 2021, sondern nur noch zu 68,5 Prozent. Etwa zwei Milliarden Euro mussten demnach Städte und Gemeinden selber berappen.

Löst mehr Geld alle Probleme?

Nein, die Schwierigkeiten reichen tiefer. So verhindert etwa der angespannte Wohnungsmarkt in vielen Ballungsräumen, dass Flüchtlinge aus ihren Notquartieren oder vom Sofa ihrer Verwandten in richtige Wohnungen ziehen können. Viele leben deshalb schon seit Jahren in Gemeinschaftsunterkünften. Die Folge: Die Kommunen haben für Neuankömmlinge oft kaum noch Platz. In Städten wie Hamburg und Berlin liegt die Belegungsquote der Aufnahmeeinrichtungen bei 99 Prozent. Und es wird immer schwieriger, Immobilien für neue Unterkünfte zu finden.

Was fehlt noch?

Vor allem Plätze an Kitas und an Schulen. Mehr als 350 000 der hier registrierten Flüchtlinge aus der Ukraine sind Kinder und Jugendliche, mehr als 200 000 von ihnen besuchen deutsche Schulen - die vielerorts aus allen Nähten platzen. Bleiben viele der Neuschüler dauerhaft hier, müssten viele Städte sogar neue Schulen bauen, gerade in dicht besiedelten Städten mit hohen Grundstückspreisen ist das schwierig. Vor allem aber fehlt Personal. "Ich finde kaum noch Leute, um die Menschen zu betreuen", sagt Reinhard Sager, Landrat im Kreis Ostholstein und Präsident des Deutschen Landkreistags der Süddeutschen Zeitung. Der Personalmangel betrifft Unterkünfte genauso wie Kitas und Schulen.

Wie kann es weitergehen?

Das ist die Frage, die niemand schlüssig beantworten kann. Zwar fordern die Kommunen von der Bundesregierung genauere Lagebilder zum Zuzug von Flüchtlingen, um besser planen zu können. Denn auch zu groß geplante Aufnahmekapazitäten könnten hohe Kosten verursachen, auf denen die Kommunen bei Leerstand sitzen bleiben. Danach sieht es allerdings nicht aus: Der Krieg in der Ukraine geht weiter. Und im Januar beantragten 29 000 Menschen in Deutschland Asyl, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahresjanuar.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivFlüchtlinge in Deutschland
:Städtetagspräsident sieht Notunterkünfte am Limit

Mehr als 1,2 Millionen geflüchtete Menschen haben die Kommunen 2022 aufgenommen. Vor dem Flüchtlingsgipfel mit Bundesinnenministerin Faeser schlägt der Städtetag Alarm.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: