Glosse:Das Streiflicht

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Der Kanton Zürich hat ein Verbot von Rottweilern ausgesprochen. Das will die Stadt Rottweil nicht hinnehmen.

(SZ) Obwohl viele Gruppen heute als Diskriminierte gelten, bleibt das Leid weiter Teile der Bevölkerung unbeachtet. Das sind die Bewohnerinnen und Bewohner verkannter Städte. Es ist ein Skandal ersten Ranges, dass etwa die Menschen auf der rechten Bonner Rheinseite als Einwohner der „Schäl Sick“ beleidigt werden, also der scheelen, der falschen Seite. Um die Demütigung zu erhöhen, haben die privilegierten Linksrheinischen einst auch noch ein steinernes „Bröckemännsche“ an der Brücke angebracht, ein Männlein, das den Schmuddelkindern rechts des großen Stroms den, Verzeihung, Arsch entgegenstreckt. Wie kann es eine Gesellschaft noch wagen, das Wort Achtsamkeit auszusprechen, wenn so etwas möglich ist? Auch darf nicht vergessen werden, dass alte weiße Männer, schlimmer geht es nicht, ganze Stadtgesellschaften kollektiv herabsetzen. So hat der Schriftsteller Thomas Bernhard die Bewohner Traunsteins als „blöd wie Schafe“ geschmäht und die Menschen der ehrwürdigen österreichischen Gemeinde Goldegg-Weng wie folgt beschrieben: „Nicht größer als ein Meter vierzig im Durchschnitt, torkeln sie zwischen Mauerritzen und Gängen, im Rausch erzeugt.“

Kürzlich erfasste auch die Stadtoberhäupter der hübschen Schwabenstadt Rottweil eine gewisse Sorge, künftig zu den Aussätzigen in der großen kommunalen Familie zu gehören. Mit Schrecken vernahmen sie, dass der Schweizer Kanton Zürich ein Rottweiler-Verbot ausgesprochen hatte. Gleich ein Verbot, das wäre schon ein starkes Stück. Zwar erwies sich nach kurzer Recherche, dass der Regierungsrat des Kantons lediglich die Neuanschaffung von Rottweilern verboten hatte und, das ist jetzt die gute Nachricht, auch nicht der Stadtbewohner selber, sondern lediglich die Anschaffung der gleichnamigen, übrigens sehr kräftigen Hunderasse. Diese sei, wie deren Freunde in Internetforen versichern, „ihrem Menschen zutiefst zugetan, wird ihn begleiten und beschützen“. Unglücklicherweise legt der Rottweiler, also der vierbeinige, diese Schutz- und Trutzaufgabe gelegentlich sehr eigenwillig und auch weit aus, sodass es im Kanton Zürich zu einigen höchst unerfreulichen Beißvorfällen kam.

Ende gut, alles gut? Leider nein. Trotz dieser Klarstellung hat der Oberbürgermeister von Rottweil, Christian Ruf, laut dpa einen Brief an die Zürcher Regierungspräsidentin verfasst, in dem er um Nachsicht mit dem caniden Wahrzeichen seiner Stadt bat. Eine Antwort ist nicht überliefert. Nun möchte er eine Nachbildung seines eigenen Hundes in die Schweiz schicken, damit wenigstens ein solcher im Kanton zu finden sei, so als wolle er frei nach John F. Kennedy bekennen: „Ich bin ein Rottweiler.“ Uns graust vor dem Gedanken, was wohl Thomas Bernhard, der Großmeister aller Städtebeleidiger, zu diesem Vorgang und speziell zur Daseinsform von Rottweilern bemerkt hätte.

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