Er ist der siebte Ministerpräsident der CDU, der innerhalb von anderthalb Jahren aus dem Amt scheidet, und von diesen der dritte, der einfach nicht mehr mag. Ähnlich wie Roland Koch in Hessen und Ole von Beust in Hamburg hat nun auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller erklärt, mit Mitte fünfzig noch mal ein Leben außerhalb der Politik beginnen zu wollen.

Wie die beiden hat er dafür einen Zeitpunkt mitten in der Wahlperiode gewählt. Er kündigt also den Dienstvertrag, um dessen Verlängerung er vor nicht allzu langer Zeit seinen Arbeitgeber, das Volk, inständig gebeten hatte. Damit aber enden Müllers Gemeinsamkeiten mit Beust und Koch. Die beiden haben tatsächlich die Politik verlassen und sich für die Wirtschaft entschieden. Müller hingegen will weiter Politik machen - nur eben nicht mehr als Ministerpräsident, sondern als Bundesverfassungsrichter.
Es ist vielleicht noch der geringste Einwand gegen Müllers Vorgehen, dass "man" so etwas gefälligst nicht macht: mitten in der Amtsperiode einfach aufzuhören und sich zu gerieren wie ein Fußballprofi, dem ein Vertrag nur so lange etwas bedeutet, wie er keine noch bessere Alternative hat. Wie solch ein Schritt ankommt, ist von Fall zu Fall anders. Im Saarland war es verheerend im Fall Oskar Lafontaines: Als dieser Ministerpräsident im Jahr 1998 als Finanzminister ins Bundeskabinett wechselte, sahen die Saarländer in ihm auch den Cheflobbyisten ihres Mini-Bundeslandes in Bonn. Dass er schon nach einem halben Jahr floh, verziehen sie weder ihm noch seiner damaligen Partei, der SPD - so kamen Peter Müller und die CDU bei der Landtagswahl im September 1999 überhaupt erst an die Macht. Nun hört dieser Regierungschef nicht in der ersten, sondern in der vierten Amtsperiode auf. Allgemeine Meinung an der Saar war, dass Müller seinen Zenit überschritten hatte. Zudem wurde er in Saarbrücken nicht als unverzichtbarer Garant der schwarz-gelb-grünen Koalition empfunden; ganz anders als Ole von Beust in Hamburg, ohne dessen Person es ja nie zu Schwarz-Grün gekommen wäre.
Also: Man lasse Müller aufhören, wenn er nicht mehr will. Aber man lasse ihn nicht ans Bundesverfassungsgericht. Zugegeben, er wäre nicht der erste Politiker, der die Kabinetts- mit der Richterbank tauscht. Zahlreiche ehemalige Landesminister haben im Lauf der Jahrzehnte dem Verfassungsgericht angehört, und nicht alle von ihnen waren anfangs unumstritten. Da war ein ehemaliger Innenminister von Baden-Württemberg namens Roman Herzog, der in jenem Amt "Demonstrationsgebühren" eingeführt hatte. Aber keiner dieser Ex-Politiker war im früheren Amt derart exponiert, wie es ein Ministerpräsident immer sein wird. Keiner von ihnen musste daher in Karlsruhe zunächst gegen den bösen Schein ankämpfen, dort bloß den Kampf um seine politischen Ziele fortsetzen zu wollen, nur eben mit anderen Mitteln. Und all diese früheren Minister waren Juristen von glänzendem Ruf: Roman Herzog gehörte zu den Autoren eines Groß-Kommentars zum Grundgesetz. Der vor kurzem berufene Richter Peter Michael Huber, zuletzt Innenminister in Thüringen, war davor Ordinarius in München. Oder die nun ausscheidende Christine Hohmann-Dennhardt: Sie war nicht nur Wissenschafts- und Justizministerin in Hessen, sondern davor Direktorin eines Sozialgerichts. Müller kann einen solchen Ruf gar nicht haben. Er war vor seiner Politiker-Karriere beisitzender Richter am Landgericht. Und das ist 21 Jahre her.
Vor anderthalb Jahrzehnten hat die SPD einmal Herta Däubler-Gmelin als Verfassungsrichterin durchsetzen wollen. Sie war damals stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Die Union lehnte sie ab. "Zu politisch", lautete der Einwand gegen die Frau. Das Argument war damals so richtig, wie es dies auch heute noch ist.