Süddeutsche Zeitung

Staatsoberhaupt:Macron bleibt Präsident: Jetzt Regierungsbildung im Fokus

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Paris (dpa) - Keine Atempause für Präsident Emmanuel Macron: Nach dessen Wiederwahl steuert Frankreich auf die Bildung einer neuen Regierung zu. Außerdem starten die Parlamentswahlen bereits in sieben Wochen.

Für Macron, dem nur gegen große Widerstände der erneute Einzug in den Élyséepalast gelang, geht es darum, seine Macht zu sichern und den Unmut und die Enttäuschung im Land zu kanalisieren.

Der Liberale hatte sich in der Stichwahl am Sonntag mit 58,54 Prozent gegen seine rechte Herausforderin Marine Le Pen durchgesetzt, die nach dem vorläufigen Endergebnis laut dem Innenministerium auf 41,46 Prozent der Stimmen kam. Damit verbesserte Le Pen ihr Wahlergebnis vom letzten Duell gegen Macron im Jahr 2017 um fast 8 Prozentpunkte. Vor fünf Jahren hatte sie knapp 33,9 Prozent der Stimmen erhalten. Die Wahlbeteiligung lag den Angaben zufolge bei 72 Prozent und damit etwas niedriger als vor fünf Jahren (74,56 Prozent).

Macron bleibt unter Druck

Bei seiner Rede vor dem Eiffelturm gestand Macron am Sonntagabend bereits ein, dass sein Sieg auch möglich wurde dank der Stimmen von Menschen, die eigentlich nicht seine Anhänger sind. Während Le Pen das Ergebnis einen "strahlenden Sieg" nannte, zeigte Macron sich demütig: "Ich weiß, dass viele unserer Mitbürger heute für mich gestimmt haben, um die Ideen der Rechtsextremen zu verhindern und nicht, um die meinen zu unterstützen." Mit Blick auf Le Pen-Wähler sagte er: "Die Wut und der Dissens, die sie dazu gebracht haben, für dieses Vorhaben zu stimmen, muss auch eine Antwort finden."

Bei der Neuformierung des Kabinetts wird Macron nun viele Interessen berücksichtigen müssen. Es ist in Frankreich üblich, dass der Premierminister noch vor offiziellem Amtsantritt des wiedergewählten oder neuen Präsidenten den Rücktritt der Regierung anbietet. Auch der derzeitige Premier Jean Castex hatte zuvor bereits seinen Rücktritt für kurz nach der Wahl angekündigt. Der Schritt wird aber erst nach der Veröffentlichung des amtlichen Endergebnisses im Laufe der Woche erwartet.

Insbesondere im linken Lager hatte Macron vor dem Endduell um Unterstützung geworben. Auch äußerte er verstärkt ökologische Ambitionen, um die Stimmen derjenigen zu erhalten, die sich ein energischeres Handeln gegen die Klimakrise wünschen. Auch auf Geschlechtergerechtigkeit wird Macron achten müssen: Es wird etwa über die Ernennung einer Premierministerin spekuliert. Der Name von Arbeitsministerin Élisabeth Borne ist zu hören, ebenso wie der der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde - wobei Frankreich dann seinen Platz in dieser wichtigen Institution verlieren würde.

Parlamentswahlen sind nächste Hürde

Während sich in Deutschland aus der Parlamentswahl ergibt, wer von einer Mehrheit getragen die Geschicke des Landes lenkt, folgt in Frankreich die Wahl des Parlaments kurz auf die Präsidentschaftswahl. Der Präsident muss sich eine Mehrheit für seine Amtsperiode sichern, um ohne allzu große Widerstände seine Pläne umsetzen zu können. Dabei werden die 577 Abgeordneten allesamt nach dem Mehrheitswahlrecht in den Wahlkreisen bestimmt. Die Stärke und der Erfolg der Parteien in den Regionen ist bestimmend für die Parlamentsmehrheit.

Ob Macron es bei den Wahlen am 12. und 19. Juni gelingt, eine relative oder absolute Mehrheit zu erlangen, ist nach dem heftigen Gegenwind bei der Präsidentschaftswahl und angesichts des Unmuts in der Bevölkerung offen. Noch am Abend der Präsidentschaftswahl begannen die verschiedenen Strömungen mit dem Versuch einer Lagerbildung. Dabei sind die ehemals großen Volksparteien, die Sozialisten und die Republikaner, nur noch ein Schatten ihrer selbst. Front gegen Macrons Lager dürften daher vor allem die Linkspartei des erfolgreich Drittplatzierten der Präsidentschaftswahl, Jean-Luc Mélenchon, machen, sowie die Truppen der unterlegenen Le Pen.

Fehlende Mehrheit für Präsident ist Ausnahme

Die Parlamentsmehrheit ist für Macron so wichtig, weil das Parlament die Regierung absetzen kann. Ohne eigene Mehrheit wäre er gezwungen, einen Premier zu ernennen, der die Mehrheit des Parlaments hinter sich weiß. Erst drei Mal in der jüngeren Geschichte kam es zu einer "Kohabitation", wie ein solches Patt in Frankreich genannt wird, zuletzt von 1997 bis 2002. Seitdem ließen die Wähler den neu gewählten Präsidenten bei der wenige Wochen später stattfindenden Abstimmung nicht ohne Parlamentsmehrheit.

Mit der Zersplitterung der Parteienlandschaft gibt es deswegen in Frankreich auch nach dieser Präsidentschaftswahl wieder den Ruf nach einer Reform des demokratischen Systems. Dabei geht es um das Verhältniswahlrecht, damit die Bevölkerung ihre unterschiedlichen politischen Wünsche besser abgebildet sieht, sowie um mehr Kompromissbereitschaft.

© dpa-infocom, dpa:220424-99-22089/34

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