Joachim Gauck, Horst Köhler und Christian Wulff sind unterschiedliche Menschen, aber sie haben eine große Gemeinsamkeit: Sie erhalten alle drei den gleichen Ehrensold eines Alt-Bundespräsidenten. Er beläuft sich derzeit auf knapp 230 000 Euro im Jahr. Und damit bekommen die drei Monat für Monat das gleiche Geld wie ihr amtierender Nachfolger in Schloss Bellevue, Frank-Walter Steinmeier.
Seit 1959 ist das im "Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten" (BPräsRuhebezG) so geregelt. Seit 1959 also macht der Staat an dieser Stelle eine große Ausnahme und gewährt Ruheständlern die gleiche Summe wie denen, die das Amt gerade ausfüllen. Über Jahrzehnte ist darüber nie diskutiert worden. Ein Bericht des Bundesrechnungshofs liefert nun aber Stoff für eine Debatte, die nicht ungefährlich ist für die etablierten Parteien. Er hat untersucht, welche Privilegien Alt-Bundespräsidenten sonst noch vom Staat erhalten. Und er ist zu dem Schluss gekommen, dass die nicht bleiben können, wie sie sind.
Im Kern kritisiert der Rechnungshof in dem 44 Seiten starken Bericht, dass es seit Jahrzehnten einen Widerspruch gibt zwischen der Gewährung des vollen Ehrensolds und der Finanzierung weiterer Bedürfnisse der Altpräsidenten. Ursprünglich hatte der Bundestag 1953 beschlossen, Ex-Bundespräsidenten die Hälfte ihres Gehaltes weiter zur Verfügung zu stellen. Das klang nach einer Art Pensionszahlung - und war wohl auch genau so gemeint.
Sechs Jahre später allerdings kam der Bundestag zu dem Schluss, dass ein ehemaliges Staatsoberhaupt auch nach Ausscheiden aus dem Amt noch "fortwirkende Amtspflichten" zu erfüllen habe. Und weil damit Büroarbeiten, Reisen und andere Aufwendungen verbunden seien, entschied sich das Parlament, den Alt-Präsidenten den vollen Ehrensold zu gewähren.
Allerdings war damit die klare Absicht verbunden, darüber hinaus keine weiteren Leistungen für Büros, Fahrer oder Reisen mehr zu übernehmen. Der Rechnungshof schreibt: "Mit der gewählten Regelung sollte der Alt-Bundespräsident gerade nicht institutionalisiert werden." Anders ausgedrückt: Es sollte keinen vom Staat finanzierten Stab, keine Ausgaben, keine Reisekostenerstattung geben.
Das Problem: Genau diese Begrenzung wurde zehn Jahre später vergessen, ignoriert, aufgehoben. 1969 beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages, dem scheidenden Bundespräsidenten eine Sekretärin und einen Fahrer zu gewähren. Aus dieser Keimzelle einer zusätzlichen Ausstattung wurde später eine ganze Infrastruktur mit Büro, Mitarbeitern und der Erstattung von Auslagen und Reisekosten. Das führte nicht bei allen zu riesigen Ausgaben. Aber so mancher hat sich einen ziemlich großes Büro geschaffen, wo er bis heute residieren kann. Ein Alt-Präsident hat sich mit 80 Quadratmetern Büro abgefunden, der andere nahm sich 268; der eine bezahlte eine Jahresmiete von 24 000 Euro, der andere brauchte 89 000. Besonders groß ausgefallen ist das Büro von Joachim Gauck, mit deutlich weniger Platz gibt sich sein Vorgänger Christian Wulff zufrieden.
Abgerechnet wird alles bis heute über das Bundespräsidialamt. Und dieses hat in einer Stellungnahme für den Rechnungshof erklärt, dass es mangels präziser Regelungen bis heute in der Regel Bürowünsche und Reisekosten begleicht.
Der Rechnungshof verlangt eine Wende und verweist darauf, dass Bundesmittel laut Bundeshaushaltsordnung allein für Aufgaben des Bundes eingesetzt werden dürfen. Seine präzisen Forderungen lassen Schlüsse zu, was es an Baustellen gegeben hat und gibt. So verlangen die Prüfer erstens klare gesetzliche Regelungen, die zu einer einheitlichen Ausstattung führen; sie plädieren zweitens dafür, dass öffentliches Geld nur noch dann für Büro, Personal und Reisen gewährt wird, wenn sie eindeutig nicht privaten Zwecken dienen; sie fordern drittens, dass die Amtsdauer und die Gründe für Rücktritte in die Berechnung von Ehrensold und Ausstattung einfließen. Und sie empfehlen viertens, dass der Anspruch auf Leistungen nicht auf Büroleiter übertragen werden kann, sollte das frühere Staatsoberhaupt nicht mehr in der Lage sein, selbst aktiv zu sein.
Ob und wenn ja, wie schnell das Parlament etwas ändert, ist nicht zu sagen. Nur eines ist sicher: Der Blick nach Österreich kann Parteien und Parlamentarier schnell lehren, mit Privilegien besonders achtsam umzugehen. Kaum etwas hat den früheren österreichischen Rechtspopulisten und FPÖ-Chef Jörg Haider einst stärker gemacht als seine Attacken gegen überzogene Bevorteilungen, die sich die schwarz-roten Koalitionen in Wien gewährt hatten.
Grüne, Linke und FDP sind deshalb alarmiert. Die Haushaltsexpertin der Grünen, Ekin Deligöz, sagt: "Respekt vor dem Amt bedeutet nicht, blind zu sein für Regeln." Deshalb müsse der Bundestag schnell präzise Grenzen ziehen. Ähnlich argumentiert Otto Fricke von der FDP.
Und die Koalitionsfraktionen? Die wollen sich entweder nicht äußern (wie die CDU) oder zeigen mit dem Finger auf den anderen, wie die SPD. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Carsten Schneider betont, die SPD habe schon nach Wulffs Rücktritt versucht, engere Regeln zu etablieren, sei aber an der Union gescheitert. Das ist sechs Jahre her.