Staatsoberhäupter im Vergleich:Zeremonienmeister oder Ersatzmonarch

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Wir Deutsche können innerhalb eines Monats unseren Präsidenten austauschen - Amerikanern und Franzosen würde das nicht passieren. Ein internationaler Vergleich der Staatsoberhäupter.

Barbara Vorsamer

Das Weiße Haus kennt jeder. Aber würden Sie auf einem Bilderrätsel das Schloss Bellevue erkennen? Sicher? Schon die unterschiedliche Wahrnehmung der Präsidentenbehausungen in Deutschland und den USA zeigt, wie sehr sich die Positionen des amerikanischen und des deutschen Präsidenten unterscheiden. In Frankreich hat der Hausherr von Élysée wieder andere Machtbefugnisse - und die Briten haben gar keinen Präsidenten. Staatsoberhaupt der Insel ist Queen Elizabeth II.

Zwei äußerst unterschiedliche Staatsoberhäupter: Bundespräsident Horst Köhler und der französische Präsident Nicolas Sarkozy. (Foto: AP)

Trotzdem ist es die Position der Monarchin, mit der das Amt des Bundespräsidenten am ehesten zu vergleichen ist - mal abgesehen davon, dass Elizabeth ihr Amt geerbt hat und nicht gewählt wurde. Auch ist ihre Amtszeit nicht beschränkt. Sie darf abtreten, wann immer es ihr beliebt.

Der Bundespräsident hingegen wird von der Bundesversammlung auf fünf Jahre gewählt und darf höchstens einmal wiedergewählt werden. Das erinnert an den amerikanischen Präsidenten, der ebenfalls zwei Amtszeiten oder maximal zehn Jahre im Amt bleiben darf (zwei Mal vier Jahre und maximal zwei Jahre zusätzlich als Nachfolger eines zurückgetretenen oder verstorbenen Präsidenten). Bei den Befugnissen ähneln sich aber eher jene der Queen und des deutschen Bundespräsidenten: Ihre Rolle ist hauptsächlich repräsentativ und integrativ.

Alles nur Formsache

Sie dürfen Reden halten, öffentlich auf politischen und gesellschaftlichen Ereignissen auftreten, Gemeinden im In- und Ausland besuchen und Staatsgäste empfangen. Faktisch ist der britische Monarch außerdem Oberbefehlshaber der Armee, ist zuständig für Begnadigungen, Außen- und Vertragspolitik und er hat zahlreiche Ernennungsrechte. In der Praxis fällt jedoch der britische Premier gemeinsam mit dem Parlament diese Entscheidungen. Die Unterschrift der Queen ist eine Formalie.

Auch der deutsche Bundespräsident unterschreibt Gesetze und internationale Verträge, ernennt und entlässt Minister und spricht Begnadigungen aus. Doch es ist die Bundesregierung, vor allem der Kanzler, die die tatsächliche Entscheidung fällt. Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten sind nur gültig, wenn der Bundeskanzler oder ein Fachminister sie gegenzeichnet. Dass der Bundespräsident vor der Unterschrift von Gesetzen die Verfassungsmäßigkeit prüfen darf, ist selten entscheidend. Deutsche Rechtswissenschaftler sind mehrheitlich der Ansicht, dass sich dieses Prüfungsrecht nur auf die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens erstreckt - nicht auf den Inhalt.

Militärischer Oberbefehlshaber ist der Bundespräsident im Gegensatz zur Queen und dem US-Präsidenten nicht. Den Oberbefehl hat in Friedenszeiten der Verteidigungsminister inne. In Kriegszeiten geht er auf den Bundeskanzler über.

Der amerikanische Commander-in-Chief hat von den vier Staatsoberhäuptern die meiste Macht. Vor allem in der Außenpolitik kann er fast alles alleine entscheiden - nur über internationale Verträge und alle Budgetfragen muss auch der US-Kongress abstimmen. Politikwissenschaftler nennen das amerikanische System deswegen auch eine präsidentielle Demokratie im Gegensatz zu den parlamentarischen Systemen in Deutschland und Großbritannien. Der US-Präsident ernennt und entlässt Minister ohne Rücksprache mit dem Parlament, kann durch ein Veto in die Gesetzgebung eingreifen und wird nicht vom Parlament, sondern (über Wahlmänner) direkt vom Volk gewählt.

Doppelkopf in Frankreich

Daher ist es auch möglich, dass die Partei, der er angehört, keine Mehrheit im Kongress hat. Und selbst wenn: Anders als etwa der Bundeskanzler oder der britische Premier kann er sich nicht auf die Stimmen seiner Parteifreunde verlassen.

Um seine Ziele durchzusetzen, ist er gezwungen, eine Mehrheit der Abgeordneten von seinen Vorhaben zu überzeugen. So etwas wie Fraktionsdisziplin gibt es nicht. Der deutsche Bundespräsident soll über Parteilichkeit erhaben sein, auch wenn fast alle bisherigen Amtsinhaber langjährige aktive Parteipolitiker waren. Auch für den französischen Präsidenten gilt das - theoretisch. Er soll die Einheit der Nation und die Kontinuität des Staates verkörpern. Doch da das Staatsoberhaupt in Frankreich direkt vom Volk gewählt wird und seine Befugnisse nicht nur zeremoniell sind, spielt hier die Parteizugehörigkeit doch eine erhebliche Rolle.

Der französische Staatspräsident kann über die Außenpolitik bestimmen, Gesetzesentwürfe zurückweisen, er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und er ernennt und entlässt den eigentlichen Regierungschef, den Premierminister. Aufgrund dieses Verhältnisses zwischen Premier und Präsident bezeichnet man Frankreichs Regierung oft als "doppelköpfig".

Von so einem Verhältnis kann zwischen der deutschen Bundeskanzlerin und dem Präsidenten keine Rede sein. Da mag der Bundespräsident die protokollarische Nummer eins und die Kanzlerin nur Nummer drei sein - Angela Merkel geht mit dem Amt trotzdem nach der Devise um: "Ist mir doch egal, wer über mit Chef wird." So hat sie Horst Köhler ins Schloss Bellevue gebracht, so platziert sie jetzt Christian Wulff dort.

Doch so wichtig ist es gar nicht, wer dieses Amt innehat. Der Bundespräsident ist fast immer einer der beliebtesten Politiker der Bundesrepublik - wahrscheinlich gerade, weil er nichts zu sagen hat und nur Reden halten darf.

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