Staatskrise in Venezuela:Wie Maduro den Krieg in Venezuela herbeiredet

Staatskrise in Venezuela: "Schüsse", "Gefecht", "Gegenoffensive": Venezuelas Präsident Nicolás Maduro.

"Schüsse", "Gefecht", "Gegenoffensive": Venezuelas Präsident Nicolás Maduro.

(Foto: AFP)

"Wir werden hart antworten": Der bedrängte Präsident gibt eine internationale Pressekonferenz und wirft den USA vor, eine militärische Intervention im Land vorzubereiten.

Analyse von Benedikt Peters

Dass es kein normaler Termin werden würde, konnte man schon an der Kleidung des Präsidenten erkennen. Nicolás Maduro tritt gern in Trainingsanzügen oder locker sitzenden Pullovern auf. Für diesen Tag hatte er sich in einen dunklen Anzug geworfen und eine silbrig-blau gestreifte Krawatte umgebunden.

Der Regierungschef, in dessen Land sich die politische wie wirtschaftliche Krise in den vergangenen Monaten dramatisch zuspitzte, berief am Montag eine internationale Pressekonferenz ein. Sie sollte zu einer Bühne werden, auf der der so bedrängte Maduro rhetorisch auf Krieg umschaltete.

"Die Lage in Venezuela soll so angeheizt werden, dass sie außer Kontrolle gerät. Diese wird dann zum Vorwand für eine militärische Intervention", sagte der Präsident und blickte grimmig in die Kamera. Verantwortlich dafür sei die US-Regierung, in Komplizenschaft stünde sie mit der "Achse Miami - Madrid - Bogotá" - in diesen Städten säßen Eliten, die dem linken Projekt Venezuelas feindlich gesinnt seien.

Doch das werde man sich nicht bieten lassen. Mit einer "Gegenoffensive neuen Typs" werde man die "Attacken neutralisieren". Maduro blickte grimmig in die Kamera und hob den Zeigefinger. "Hier gibt keiner auf. Wir werden kämpfen."

"Krieg", "Kampf" und "Gefecht"

Dass Maduro den US-Imperialismus für die desolate wirtschaftliche und politische Situation seines Landes verantwortlich macht, ist nichts Neues. In etlichen Reden prangerte er zuvor schon die "Verschwörer" oder "Aggressoren" aus Washington an - und klang damit ganz ähnlich wie sein politischer Ziehvater und politisch glücklicherer Vorgänger, Hugo Chávez. Historisch gesehen sind solche Vorwürfe in Richtung USA sogar nachvollziehbar, aber dazu später.

Neu aber ist die Intensität, mit der Maduro die Kriegsrhetorik bemüht. An Dutzenden Stellen seiner Rede spricht er von "Krieg", von "Kampf" und "Gefecht", von "Attacken", von "Brutalität" und "Schüssen". Es wirkt so, als kündige der Präsident im Fernsehen selbst einen Krieg an, es klingt, als würden bald Panzer durch Caracas rollen. Diese würden sich gegen die Oppositionellen im eigenen Land richten - und gegen jede Intervention von außen. Das passt zu Meldungen vom Wochenende, in denen der Präsident Militärmanöver ankündigte.

Auch die Opposition, über deren Kopf hinweg Maduro inzwischen mit Dekreten regiert, obwohl sie im Parlament eine klare Mehrheit hat, gießt mit scharfen Sprüchen Öl ins Feuer. "Soll er doch die Panzer rausholen", sagte Oppositionsführer Henrique Capriles Radonski am Dienstag. Man werde die Dekrete nicht akzeptieren, sondern das Land aufrufen, sie zu ignorieren. Bisher wollte die Opposition ein Referendum gegen Maduro bemühen. Nun klingt auch Capriles so, als wolle er den bürokratischen Weg verlassen. "Ich sage der Armee, dass jetzt die Stunde der Wahrheit gekommen ist." Was genau er damit meint, sagt er nicht.

Wie die USA früher in Lateinamerika intervenierten

Mit seinen Anschuldigungen, westliche Mächte wollten in Lateinamerika intervenieren, kann sich Maduro auf ein ganzes Arsenal historischer Wahrheiten stützen. 1954 organisierte die CIA einen Putsch gegen den linken Präsidenten Jacobo Árbenz in Guatemala, danach versank das Land in 35 Jahren Bürgerkrieg. 1972 half der Geheimdienst dabei, den sozialistischen Staatschef Salvador Allende in Chile zu stürzen, danach wurde das Land zu einer Diktatur mit neoliberalem Wirtschaftsmodell. Der einzige Linke, der in Lateinamerika in diesen Jahren an die Macht kam und sie behielt, war Fidel Castro in Kuba - auch wenn die USA zahlreiche Male versuchten, seinen Sturz zu initiieren.

Für derartige Bemühungen gibt es einen Codenamen: Operation Condor. Unter diesem arbeiteten - unter Anleitung der USA - Geheimdienste in etlichen lateinamerikanischen Staaten zusammen, um einen Linksruck des Kontinents mitten im Kalten Krieg zu verhindern. Militärdiktaturen und grassierende soziale Ungleichheit waren die Folgen, von denen sich der Kontinent nur langsam erholte. Nun, in der venezolanischen Staatskrise, spricht der dortige staatlich kontrollierte Sender Telesur von einer neuen Auflage der Verschwörung.

Die Verantwortung für die Krise liegt in erster Linie bei Maduro

Es ist ungewiss, ob oder wie stark die USA oder andere westliche Mächte derzeit die venezolanische Opposition tatsächlich stützen. Klar ist aber, dass die Hauptverantwortung für die massive Staatskrise nicht außerhalb von Caracas gesucht werden kann. Maduro hat versäumt, die Petro-Wirtschaft zu diversifizieren, was ihm in Zeiten des niedrigen Ölpreises auf die Füße fällt. In einem schwerfälligen und korrupten Staatsapparat versickern etliche finanzielle Mittel, die für Wirtschaftsreformen hätten genutzt werden können.

Ebenso haben die USA nicht zu verantworten, dass Maduro mit Verhaftungen von Oppositionellen und einer faktischen Entmachtung des Parlaments den Boden der Demokratie verlässt.

Die Pressekonferenz versuchte der in die Enge getriebene Staatschef auch zu nutzen, um "Beweise" für seine Version der Verschwörung gegen Venezuela zu liefern. Doch die fielen mager aus. In der vergangenen Woche sei ein US-Aufklärungsflugzeug des Typs Boeing E-3 Sentry in den Luftraum des Landes eingedrungen.

Außerdem habe man Medienberichte führender Zeitungen ausgewertet, etwa aus Miami und Madrid - und die seien mit großer Mehrheit negativ. Folglich handle es sich um eine Kampagne, geschrieben von "Gaunern", finanziert von "dummen Oligarchen", so Maduro.

Der Gedanke, dass er selbst die negativen Berichte zu verantworten haben könnte, ist dem Präsidenten offenbar bislang nicht gekommen.

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