Staatskrise in Ägypten:Mansur ordnet Neuwahlen an

Der ägyptische Interimspräsident Adli Mansur hat einen detaillierten Plan für den Weg aus der Staatskrise vorgelegt. Innerhalb weniger Monate soll die Verfassung überarbeitet und durch ein Referendum abgesegnet werden, Parlament und Präsident sollen die Bürger ebenfalls wählen. Inzwischen fordern auch die UN Aufklärung darüber, wie es zu den Krawallen kommen konnte, bei denen viele Menschen getötet wurden.

Ägyptens Übergangspräsident Adli Mansur will der eskalierenden Staatskrise mit baldigen Parlamentswahlen entgegenwirken. Wie staatliche Medien am Montagabend berichteten, legte Mansur einen detaillierten Zeitplan vor, der noch in diesem Jahr ein Verfassungsreferendum und anschließend die Wahl eines neuen Parlaments vorsieht. Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des abgesetzten islamistischen Staatschefs Mohammed Mursi waren zuvor mehr als 50 Menschen getötet worden.

Wie die staatliche Zeitung Al-Ahram in ihrer Online-Ausgabe ausführte, verfügte Mansur, dass binnen zwei Wochen ein Verfassungsausschuss gebildet werde, der zwei Monate Zeit für die Ausarbeitung von Verfassungsänderungen habe. Der Übergangspräsident werde diesen Entwurf dann binnen eines Monats der Bevölkerung in einem Referendum zur Abstimmung vorlegen. Anschließend würden binnen zwei Monaten Parlamentswahlen abgehalten. Danach werde ein Termin für die Wahl eines neuen Staatschefs festgesetzt.

In Mansurs Dekret, dessen 33 Artikel auch von der staatlichen Nachrichtenagentur Mena veröffentlicht wurden, hob der Übergangspräsident zudem hervor, dass der Staatschef in Ägypten die exekutive Gewalt ausübe und die Justiz unabhängig sei.

Der Verfassungsrechtler Said al-Ali sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Art, wie Mansurs Verfügungen formuliert seien, lege nahe, dass das Wahlverfahren bis Ende 2013 beginnen, aber nicht unbedingt abgeschlossen werden solle. Die vagen Formulierungen ließen die Interpretation zu, dass bis Jahresende nur die Registrierung der Kandidaten für die Parlamentswahl beginnen müsse. Die eigentliche Wahl werde dann erst etwa drei Monate später abgeschlossen.

Proteste von Islamisten

Die ägyptischen Streitkräfte hatten am Mittwoch den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi infolge tagelanger Massenproteste abgesetzt und den obersten Verfassungsrichter Mansur zum Übergangspräsidenten gemacht. Die im Dezember per Referendum beschlossene Landesverfassung wurde ausgesetzt. Das liberal-säkulare Lager hatte die Beratungen der Verfassungsversammlung am Ende boykottiert und auch nicht an der Endabstimmung über den Entwurf teilgenommen. Es sah in dem Verfassungstext den Versuch der Muslimbrüder, die Gesellschaft weiter zu islamisieren.

Angesichts von Mursis Absetzung ist Ägyptens Gesellschaft tief gespalten. Am Montag wurden bei Zusammenstößen zwischen Mursi-Anhängern und ägyptischen Sicherheitskräften in Kairo nach Angaben von Rettungskräften 51 Menschen getötet und mehr als 430 weitere verletzt. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld an der Eskalation, Mansur ordnete eine Untersuchung an. Die Partei der Muslimbruderschaft, aus der Mursi hervorgegangen war, rief wegen der Gewalt zu einem "Aufstand des ägyptischen Volkes" auf. Am Abend gab es Medienberichten zufolge in mehreren Städten erneut Proteste von Islamisten.

"Eine Eskalation verhindern"

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon reagierte besorgt und forderte eine unabhängige Untersuchung der Zusammenstöße, wie sein Sprecher Martin Nesirky in New York mitteilte. Ban rief überdies die Ägypter auf, "alles zu tun, um eine Eskalation zu verhindern".

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte dem Handelsblatt: "Die Gewalt, die wir in diesen Tagen auf den Straßen Kairos erleben, zeigt, wie hoch das Eskalationspotenzial in der derzeitigen Lage ist." Daher appelliere er "eindringlich an die politischen Kräfte in Ägypten, jetzt die Gewalt zu stoppen und den Dialog miteinander zu suchen".

Das US-Außenministerium rief die ägyptische Armee zu "maximaler Zurückhaltung" auf. Das Weiße Haus rügte derweil Mursis Muslimbrüder wegen des "ausdrücklichen" Aufrufs zur Gewalt. Die Situation in Ägypten habe aber zunächst keine Folgen für die milliardenschwere US-Militärhilfe, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney.

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