Gerichtsurteil:Historischer Prozess um Staatsfolter in Syrien endet mit Haftstrafe

Gerichtsurteil: Der Angeklagte Eyad A. bei einem Gerichtstermin am 23. April 2020. (Archivfoto)

Der Angeklagte Eyad A. bei einem Gerichtstermin am 23. April 2020. (Archivfoto)

(Foto: THOMAS LOHNES/AFP)

Das Oberlandesgericht in Koblenz verurteilt einen Syrer zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren. Laut Bundesanwaltschaft war der Strafprozess der weltweit erste wegen Staatsfolter in Syrien.

In dem laut Bundesanwaltschaft weltweit ersten Strafprozess wegen Staatsfolter in Syrien hat das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) einen der beiden Angeklagten zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Syrer Eyad A. hat nach Überzeugung der Richter Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleistet.

Der nach Deutschland geflohene und hier festgenommene 44-Jährige war Agent des staatlichen Allgemeinen Geheimdienstes in Syrien. Nach Überzeugung des Gerichts machte er sich der Folter und der Freiheitsberaubung schuldig. Gegen den syrischen Hauptangeklagten Anwar R., 58, soll der im April 2020 begonnene Prozess noch weiterlaufen. Verhandlungstermine sind bis mindestens Oktober angesetzt. Das OLG hatte das Verfahren gegen Eyad A. zuletzt abgetrennt.

Laut Bundesanwaltschaft soll Anwar R. im Raum Damaskus in der sogenannten Abteilung 251 eine Ermittlungseinheit für Sicherheit geleitet haben, die ein Gefängnis kontrollierte. 2011 und 2012 sollen unter seiner Aufsicht systematisch Menschen misshandelt worden sein. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Folter in 4000 Fällen, Mord in 58 Fällen sowie sexuelle Nötigung und Vergewaltigung vor.

Grundlage für das Koblenzer Verfahren ist das Weltrechtsprinzip

Es gibt mehrere Gründe, warum der Prozess in Deutschland geführt wurde und nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag. Syrien ist kein Vertragsstaat im ICC. Ein Prozess dort kann deshalb nur mit Zustimmung des UN-Sicherheitsrats geführt werden. Hier hat Russland, das mit Syrien verbündet ist, seine Zustimmung verweigert.

Grundlage für das Koblenzer Verfahren ist das Weltrechtsprinzip. Das seit 2002 geltende Prinzip ermöglicht, dass bestimmte Verbrechen in Deutschland geahndet werden können, obwohl die Tat weder hier geschehen ist, noch Angeklagte oder Opfer aus Deutschland kommen. Bestimmte Taten, wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen wiegen dem Prinzip nach so schwer, dass sie nicht als innere Angelegenheit eines Staates ausgegeben werden können. Menschen, die solche Verbrechen begangen haben, sollen in Deutschland nicht frei sein, so die Idee.

Das Gericht in Koblenz musste herausfinden, ob die beiden Angeklagten der Taten, die ihnen vorgeworfen werden, schuldig sind oder nicht. Hierbei berücksichtigt werden müssen die Umstände und der Krieg in Syrien. Staatliche Verbrechen durch das Assad-Regime sind aber nicht Hauptpunkt des Verfahrens. Das OLG in Koblenz werde sich "im Zweifel nicht die Mühe machen, mehr aufzuklären als notwendig ist, um die Frage nach der Schuld der Angeklagten zu beantworten", erläutert der Trierer Strafrechtsprofessor Till Zimmermann. In dem Prozess gehe es nicht darum, weitere Verantwortlichkeiten oder eine Schuld des Assad-Regimes zu klären.

Dennoch kann der Prozess darüber hinaus Vorbildcharakter haben. Im Verfahren wurden Zeugen und Betroffene aus Syrien gehört. Fotos von Folteropfern sollen die Straftaten der Angeklagten belegen. Maßgeblich dafür sind die sogenannten Caesar-Dokumente, die von einem syrischen Militärfotografen aufgenommen und außer Landes gebracht wurden. Seit 2016 liegen sie der Bundesanwaltschaft vor. Sie umfassen rund 28 000 Bilder von Leichen mit massiven Folterspuren. Eine solche Dokumentation von Verbrechen vor Gericht erschwere es, Fakten anzuzweifeln, so Zimmermann.

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