Staatsbesuch von Donald Trump:Der nächste Affront des John Bercow

Staatsbesuch von Donald Trump: Beispielloser Einsatz gegen Trump: der Sprecher des britischen Unterhauses John Bercow auf einem Archivbild

Beispielloser Einsatz gegen Trump: der Sprecher des britischen Unterhauses John Bercow auf einem Archivbild

(Foto: AFP)

Als Sprecher des britischen Unterhauses ist er politischer Neutralität verpflichtet. Jetzt verbietet er Donald Trump, in der Westminster Hall zu sprechen. Das finden nicht alle gut.

Von Christian Zaschke, London

Vermutlich hört sich niemand im britischen Parlament so gerne reden wie John Bercow. Als Sprecher des Unterhauses obliegt es ihm, die Debatten zu leiten, und er tut das mit unverkennbarer Freude am Zeremoniell. Das geht besonders den Konservativen sehr auf die Nerven. Der Abgeordnete Simon Burns beschrieb den 1,67 Meter großen und unbestreitbar eitlen Bercow einmal als "dummen, scheinheiligen Zwerg".

In dieser Woche hat Bercow wieder einmal an Statur gewonnen, indem er sagte, im Unterhaus sei kein Platz für Rassismus und Sexismus, weshalb er sich dagegen ausspreche, dass US-Präsident Donald Trump im Rahmen seines avisierten Staatsbesuchs in der ehrwürdigen Westminster Hall zum Parlament reden darf. In diesem Saal haben zum Beispiel schon Nelson Mandela, Papst Benedikt XVI. und Barack Obama zu den Abgeordneten gesprochen. Dass nun der Sprecher des Unterhauses einen solchen Auftritt untersagen will, ist ohne Beispiel.

Das Problem für die Regierung von Theresa May, die Trump umgarnt, um nach dem Austritt aus der Europäischen Union rasch ein Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten zu schließen: Wenn der Sprecher nicht will, dass Trump auftritt, dann tritt Trump auch nicht auf. So will es das Protokoll, das vorsieht, dass die Sprecher von Ober- und Unterhaus beide zustimmen müssen.

Vom Rechtsaußen zum Sozialliberalen

Bercow trat 1979, inspiriert von Margaret Thatcher, im Alter von 16 Jahren den Konservativen bei. Seit 1997 sitzt er im Parlament, seit 2009 ist er Sprecher des Unterhauses. Als solcher ist er der politischen Neutralität verpflichtet, was den meisten seiner Parteifreunde eine Erleichterung ist. Bercow hat sich nämlich vom Rechtsaußen zum Sozialliberalen entwickelt. Ins Amt gewählt wurde er hauptsächlich mit Stimmen von Labour-Abgeordneten, die den Tories eins auswischen wollten.

Die Opposition applaudierte dem Sprecher nach seiner Einlassung zu Trumps Besuch, während auf den Regierungsbänken Fassungslosigkeit herrschte. Mehrere konservative Abgeordnete sagten, Bercow habe gegen das Gebot der Neutralität verstoßen. Dabei hätten sie wissen können, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Als zum Beispiel 2015 der chinesische Präsident Xi Jinping im Parlament sprechen durfte, ermahnte Bercow diesen, doch bitte eine "moralische Inspiration für die Welt" zu sein. Zudem schwärmte er von der birmanischen Politikerin Aung San Suu Kyi als "Champion der Demokratie", womit er nahelegte, dass Xi genau das nicht sei. Die Regierung, die um chinesische Investitionen buhlte, war nicht amüsiert.

Bercows jüngste Äußerungen waren die Antwort auf einen Antrag eines Abgeordneten, der verhindern wollte, dass Trump im Parlament auftritt. Der Sprecher leitete seinen Vortrag mit einem Seufzer ein, wissend, dass er ins Kreuzfeuer der Kritik geraten würde. Gesprochen hat er dann umso eindringlicher.

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