Wenn Wladimir Putin an diesem Donnerstag in Moskau Saudi-Arabiens König Salman empfängt, ist das ein Staatsbesuch von historischer Tragweite. Es ist die erste Reise eines saudischen Monarchen nach Russland. Mehr aber noch symbolisiert der viertägige Besuch des - neben Israel - engsten Verbündeten der USA im Nahen Osten wie nichts zuvor die Rückkehr Russlands in die Region. Der Kreml macht dem Weißen Haus den Rang streitig: Auch andere Länder, die traditionell zum amerikanischen Kosmos gehörten, schauen nach Moskau - von Ägypten über Israel bis zur Türkei.
Jeder dieser Staaten hat spezielle Gründe und Interessen, Putins Nähe zu suchen, so auch Saudi-Arabien. Die Saudis lagen jahrzehntelang mit Moskau über Kreuz; in Afghanistan unterstützten sie die Mudschahedin, was zum geopolitischen Niedergang der Sowjetunion beitrug. Jetzt verbündet sich Riad als wichtigster Ölproduzent des Opec-Kartells mit dem größten Produzenten außerhalb, um den Preisverfall zu stoppen, unter dem beide Staaten leiden. Das ist eine Zweckallianz gegen die Fracking-Industrie in den USA.
Krieg in Syrien:Darum wird Assad wohl an der Macht bleiben
Syriens Diktator hat mit russischer Hilfe so große Gebiete zurückerobert, dass er militärisch nicht mehr zu schlagen ist - auch der UN-Sondergesandte will die Opposition auf Frieden einstellen.
Die neue pragmatische Politik der Saudis gegenüber Moskau ist aber auch Anerkenntnis des Einflusses, den sich Putin verschafft hat - maßgeblich durch die Militärintervention in Syrien, aber auch durch aktive Regionalpolitik im Irak, in Libyen oder Jemen. Geschickt besetzte Putin mithilfe des im arabischen Raum versierten Außenministeriums und der Geheimdienste Freiräume, die ebenso durch den gewollten Rückzug der USA unter Präsident Barack Obama entstanden waren wie zuvor schon durch den Autoritätsverfall unter George W. Bush. Der hatte Riads Warnungen ignoriert und mit dem auf Lügen gestützten Irak-Krieg die Region in Tumult gestürzt.
Moskau besetzt geschickt die Räume, die die USA freimachen
Jetzt erhofft sich König Salman von Putin, was Obama nicht liefern wollte - und der in Riad wohlgelittene Donald Trump ebenso wenig vollbringt: die Eindämmung des zunehmenden Einflusses und Machtstrebens der schiitischen Vormacht Iran, den die sunnitische Führungsnation als wichtigste Bedrohung sieht. Zwar erwägt Trump, das den Saudis verhasste Atomabkommen mit Teheran zu kündigen, doch dürfte das kaum die Ambitionen Irans zügeln - eher das Gegenteil ist zu erwarten.
Wer Iran zurückdrängen will, der muss in Syrien beginnen. Die Saudis sind inzwischen trotz ihrer bisher großspurigen Rhetorik bereit zu akzeptieren, dass Baschar al-Assad für eine lange Übergangszeit an der Macht bleibt. Sie versuchen, die Opposition mit von Moskau unterstützten regimenahen Gruppen in ein Zelt zu zwingen. Das soll den Weg ebnen zu einem Übergangsprozess unter UN-Ägide, den letztlich Moskau choreografiert. Als Gegenleistung verlangt Riad, dass Zehntausende Dschihad-Söldner der von Iran unterstützten und gesteuerten Schiiten-Milizen Syrien wieder verlassen. Das will auch Israels Premier Benjamin Netanjahu erreichen, der in 18 Monaten vier Mal nach Moskau reiste.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der vor zwei Jahren noch ein russisches Kampfflugzeug abschießen ließ, verhandelt mit Moskau (in Astana) über einen Separatfrieden im Norden Syriens. Zutiefst empört von der US-Unterstützung für die kurdischen YPG-Milizen in Syrien im Kampf gegen den "Islamischen Staat", kauft der Nato-Staat seine neuen Luftabwehr-Systeme von Putin. Auch Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi will sich mit guten Beziehungen zum Kreml ein Stück unabhängiger von den USA machen.
Für Putin bringt die zunehmende Verwicklung Russlands im Nahen Osten das Problem mit sich, dass er die widerstrebenden Interessen der alten und neuen Partner austarieren muss - etwa im Verhältnis zu Iran. Die Friktionen, die daraus entstehen, kennen die Amerikaner nur allzu gut.