Staatsbesuch:Orbán schmeichelt Merkel

Ungarns Ministerpräsident gibt sich ausnahmsweise moderat - und plädiert für einen Neustart im Streit um die EU-Migrationspolitik.

Von Peter Münch, Wien

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán haben eine Gedenkveranstaltung im westungarischen Sopron dazu genutzt, um für einen "Neustart" zur Lösung des Streits in der europäischen Migrationspolitik zu werben. Beide stützen dabei ihren "Optimismus" auf die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen. Auch wenn Merkel weiterhin von "unterschiedlichen Meinungen in einzelnen Punkten" sprach, bezeichnete sie die zuletzt arg strapazierten bilateralen Beziehungen zu Ungarn als "gut". Sie rief dazu auf, "Schleppern und Schleusern das Handwerk zu legen" und die europäischen Außengrenzen besser zu schützen.

Anlass für das Treffen von Merkel und Orbán bot der 30. Jahrestag des Paneuropäischen Picknicks. Am 19. August 1989 hatten mehr als 600 DDR-Bürger diese grenzüberschreitende Veranstaltung zwischen Ungarn und Österreich zur Flucht in den Westen genutzt, Ungarns Grenzschützer hatten nicht eingegriffen. "Aus dem Picknick wurde die größte Massenflucht aus der DDR seit dem Bau der Mauer 1961. Aus dem Picknick wurde ein Weltereignis", sagte Merkel bei dem Festakt in Sopron am Montag und dankte Ungarn für die Unterstützung bei der Öffnung der Grenze, die als Vorbote des Mauerfalls und der deutschen Einheit gilt. "Deutschland wird das Ungarn nicht vergessen", erklärte sie. "Sopron sei ein "Beispiel dafür, wie viel wir Europäer erreichen können, wenn wir für unsere unteilbaren Werte mutig einstehen". Das durfte auch als Mahnung verstanden werden an Orbán, der seit Längerem sowohl mit der Berliner Regierung als auch mit der Brüsseler EU-Kommission in diversen Fragen im Clinch liegt. Neben Ungarns rigidem Kurs in der Flüchtlingspolitik geht es dabei auch um den unter der Fidesz- Regierung vorangetriebenen Demokratieabbau im Land. Das EU-Parlament hatte deshalb im vorigen Herbst wegen mutmaßlicher Rechtsverstöße ein sogenanntes Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn auf den Weg gebracht, das im äußersten Fall zum Entzug der Stimmrechte im Ministerrat führen kann. Zugleich hatte die Europäische Volkspartei die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei suspendiert.

Konkrete Lösungen für die Streitfragen wurden zumindest öffentlich in Sopron nicht angesprochen. Merkel appellierte daran, innerhalb der EU "miteinander zu reden und Kompromisse zu machen". Orbán erklärte, Europas Einheit müsse "von Konflikt zu Konflikt" stets neu erschaffen werden. Trotz aller Differenzen setzte auch Ungarns Regierungschef auf Harmonie und versicherte Merkel, sie genieße die "Wertschätzung der ungarischen Nation".

Zugleich demonstrierte Viktor Orbán ein pralles Selbstbewusstsein. Nach seiner Darstellung waren es die Stimmen Ungarns und der anderen drei Visegrad-Staaten, die bei der Wahl von der Leyens zur neuen EU-Kommissionspräsidentin den Ausschlag gaben. "Das Gewicht Mitteleuropas wird laufend wachsen", kündigte er nun an. Innerhalb der EU sei dies "eine neue Ergänzung zur deutsch-französischen Achse".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: