Staatsbesuch: Hu Jintao in USA:Gute Miene zum bösen Spiel

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Zwischen China und den USA hat sich viel Ärger angehäuft - das Verhältnis zwischen den Staaten, die so aufeinander angewiesen sind, ist schwierig. Dennoch werden sie sich beim Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten in Washington das Gegenteil vorspielen.

Henrik Bork

Mit Salutschüssen und echtem Staatsbankett, mit rotem Teppich und der Genugtuung, diesmal zu einem "offiziellen Staatsbesuch" zu kommen, wird Chinas Präsident Hu Jintao an diesem Dienstag in Washington eintreffen. Die auf Status und Gesicht stets großen Wert legenden Chinesen hatten hart dafür gekämpft. Bei seinem letzten Besuch in den USA im Jahr 2006 hatte sich Hu Jintao noch mit einem Mittagessen und einem "offiziellen Besuch" begnügen müssen. George W. Bush mochte das ganz große Protokoll nur befreundeten Mächten gönnen, nicht kommunistischen Aufsteigern in Fernost.

Trotz aller Rivalitäten wächst die Abhängigkeit zwischen China und den Vereinigten Staaten. Der bilaterale Handel boomt wie nie, militärisch wie wirtschaftlich sind die beiden Riesen aufeinander angewiesen. (Foto: AP)

Diesmal aber bekommt der Chinese in den USA den ganz großen Bahnhof, den er sich als krönenden Abschluss für seine 2012 zu Ende gehende Laufbahn gewünscht hatte. Aus chinesischer Sicht war das überfällig. Längst seien die amerikanisch-chinesischen Beziehungen keine bilaterale Angelegenheit mehr, sondern eine Beziehung "mit Einfluss auf die ganze Welt", zitiert die Zeitung der Volksbefreiungsarmee am Montag stolz einen Pekinger Politologen.

Sein eigenes beeindruckendes Selbstbewusstsein hat Hu einen Tag vor der Abreise mit dem Satz kundgetan, das gegenwärtige internationale Währungssystem sei "ein Produkt der Vergangenheit". Es werde zwar noch eine Weile dauern, bis der chinesische Yuan dem US-Dollar als Leitwährung Konkurrenz machen könne, antwortete der chinesische Parteichef auf schriftliche Fragen zweier US-Zeitungen - aber an der Richtung, in die es gehe, ließ er keinen Zweifel.

Die chinesische Volksbefreiungsarmee selbst hatte ihrem Oberkommandierenden kürzlich eine Botschaft für Washington mit auf den Weg gegeben. Während US-Verteidigungsminister Robert Gates in Peking zu Besuch weilte, ließen die roten Generäle zum ersten Mal ihren nagelneuen Tarnkappen-Kampfjet J-20 am Himmel kreisen.

Tatsächlich ist die stetig wachsende militärische Rivalität nur eine von vielen Konfliktzonen in einem alles in allem sehr labilen Verhältnis. Von einer neuen Ära der Gemeinsamkeit, gar von einer Art "G-2" war noch die Rede gewesen, als Barack Obama im November 2009 China besuchte. Doch in den 14 Monaten seitdem hat sich das Klima wieder deutlich verschlechtert.

Nach einer der Waffenlieferungen der Vereinigten Staaten an Pekings Rivalen Taiwan hatte China die Militärbeziehungen zu Washington erneut eingefroren. Sie wurden erst jetzt, kurz vor dem Hu-Besuch, aus taktischen Gründen wiederbelebt. Unvergessen ist in China auch der Besuch des Friedensnobelpreisträgers Dalai Lama beim Friedensnobelpreisträger Obama im Februar 2010. Und nun werden sich in Washington zum ersten Mal ein Friedensnobelpreisträger und ein Präsident begegnen, der einen Friedensnobelpreisträger ins Gefängnis gesperrt hat. Die Vergabe des Preises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo ist von Politikern in Peking öffentlich als "Konspiration der Amerikaner" denunziert worden.

Von einem gesunden oder auch nur kooperativen Verhältnis sind beide Seiten derzeit also weit entfernt. Nichts ist mehr zu spüren von "Chimerika" (so die Verballhornung von China und Amerika) oder von "G-2". Eher gibt es da zwei Rivalen, die aufeinander angewiesen sind. "Wir sind zwei komplexe Nationen mit sehr unterschiedlicher Geschichte und tiefgreifend anderen politischen Systemen und Auffassungen", hat US-Außenministerin Hillary Clinton gerade in einer Grundsatzrede geäußert.

Während in den USA allmählich die Erkenntnis wächst, dass keines der drängenden globalen Probleme - von den ungleichmäßig fließenden Welthandelsströmen über das Weltklima bis hin zu der nuklearen Drohung aus Nordkorea - ohne die Chinesen zu lösen ist, wächst in Washington gleichzeitig die Frustration mit den zunehmend selbstbewusst bis arrogant auftretenden Kommunisten um Hu Jintao. Unvergessen, wie Chinas Mächtige zur Weltklimakonferenz in Kopenhagen nur einen Vize-Außenminister in ein Treffen mit Obama schickten und die Amerikaner damit düpierten.

Das gegenseitige "Misstrauen" sitze tief, schreibt Clinton. Von Googles Flucht aus China, den Klagen amerikanischer Geschäftsleute über den Protektionismus der wieder stark auf Staatsbetriebe setzenden "China-AG" bis hin zum Gefühl, Peking halte stur an der Unterbewertung seiner Währung fest, reichen die amerikanischen Enttäuschungen. Da klingt es keineswegs übertrieben, wenn Henry Kissinger in der Washington Post vor einem neuen "Kalten Krieg" warnt.

Doch während all diese Rivalitäten lustvoll ausgelebt werden, wächst die Abhängigkeit zwischen China und den Vereinigten Staaten. Der bilaterale Handel boomt wie nie, aber auch das US-Handelsdefizit mit China. Es sei schwer, den eigenen Banker zu kritisieren, hatte schon Hillary Clinton zur Zeit ihres Antrittsbesuchs als Außenministerin in Peking gesagt - eine Anspielung auf Chinas Währungsreserven im Wert von insgesamt 2,9 Billionen US-Dollar.

Doch aus demselben Grund muss Peking den Niedergang des Dollars fürchten. Militärisch wie wirtschaftlich sind die beiden Riesen auf Kooperation angewiesen. Die Realität sei, formuliert es Henry Kissinger, dass "keines von beiden Ländern jemals den anderen wird dominieren können und dass ein Konflikt zwischen beiden die jeweiligen Gesellschaften erschöpfen würde".

© SZ vom 18.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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