Thüringens Justizminister zu umstrittenen Ermittlungen:"Ich habe mich nicht einzumischen"

Dieter Lauinger

"Ich habe mich als Justizminister nach meiner Selbstverpflichtung nicht in Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einzumischen." Thüringens Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) zum Fall Zschächner.

(Foto: Christoph Soeder/dpa)
  • Ein Bundestagsabgeordneter der Linken hat Strafanzeige gegen den Staatsanwalt Martin Zschächner gestellt, aufgrund seiner Ermittlungen gegen das "Zentrum für politische Schönheit".
  • Zschächner wird Rechtsbeugung vorgeworfen, zudem besteht der Verdacht, dass er linke Aktivisten besonders hart verfolgt hat.
  • Recherchen legen nahe, dass Behörden und auch dem Justizministerium die Kritik an Zschächner schon lange bekannt ist.

Von Antonie Rietzschel, Gera

16 Monate - so lange dauerte das Verfahren der Staatsanwaltschaft Gera gegen die Kunstaktivisten des "Zentrums für politische Schönheit" wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Nur anderthalb Stunden benötigten Justizminister Dieter Lauinger und die zuständigen Behörden, um sich darauf zu einigen, dass es keine Anhaltspunkte für die Vorwürfe gibt. "Damit kann dieses Verfahren endlich abgeschlossen werden", hieß es in einer Pressemitteilung Anfang der Woche. In den Worten lag die Hoffnung, dass nun Ruhe einkehrt - auch um den verantwortlichen Staatsanwalt Martin Zschächner, der einem Medienbericht zufolge Geld an die AfD gespendet haben soll. Künftig soll er nicht mehr mit sensiblen Staatsschutzverfahren betraut werden.

Doch jetzt hat Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Linken, aufgrund der Ermittlungen gegen das "Zentrum für politische Schönheit" Strafanzeige gegen Zschächner gestellt. Wegen Rechtsbeugung. Außerdem werden immer mehr Fälle publik, die den Verdacht nähren, dass der Staatsanwalt linke Aktivisten besonders hart verfolgt hat.

Anwälte und Abgeordnete beschwerten sich über merkwürdige Entscheidungen

Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, sowie Gespräche mit Anwälten und Beschuldigten zeigen, dass den Behörden und auch dem Justizministerium die Kritik an Zschächner schon lange bekannt ist. Konsequenzen, etwa in Form einer Versetzung, musste er bisher keine fürchten. Und das in einem Bundesland, das von einer Regierungskoalition aus SPD, Linken und Grünen geführt wird.

Die Jenaer Anwältin Kristin Pietrzyk hat in den vergangenen Jahren Dutzende Mandanten in Verfahren vertreten, in denen auch Martin Zschächner involviert war. Sie reichte im Herbst 2017 Dienstaufsichtsbeschwerde ein, nachdem Zschächner ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingestellt hatte. Bei einer AfD-Kundgebung in Jena hatten einzelne Teilnehmer die Zeile gesungen "Eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir - von der JG bis nach Auschwitz." Gemeint ist die Junge Gemeinde, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert. Zschächner sah darin keine strafbare Beleidigung, sondern eine Äußerung, die von der Meinungsfreiheit gedeckt war. Die Anspielung auf das Konzentrationslager verglich er mit einer Metapher, ähnlich wie "Waterloo".

Nach der Beschwerde durch Pietrzyk wurde das Verfahren zwar wieder aufgenommen. Eine Antwort auf die Dienstaufsichtsbeschwerde hat sie aber bis heute nicht erhalten. Eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung bei der Generalstaatsanwaltschaft blieb unbeantwortet.

Ein weiterer Anwalt thematisierte das Vorgehen Zschächners beim U-Bahn-Lied in einer weiteren Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft Gera. Darin forderte er im November 2018 den Abzug Zschächners in Verfahren, die dieser gegen seinen Mandanten eingeleitet hatte. Die Landtagsabgeordnete der Linken, Katharina König-Preuss, übergab das Schreiben eigenen Angaben zufolge an das Justizministerium. Etwa zur gleichen Zeit erschien in der Lokalzeitung Freies Wort ein ausführlicher Artikel über fragwürdige Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Gera. Im Mittelpunkt des Textes stand die morgendliche Hausdurchsuchung beim Vorsitzenden des Stadtjugendrings in Erfurt, ausgelöst durch einen Fehler der Polizei, den der zuständige Staatsanwalt Martin Zschächner mindestens übersah. Die von ihm eingeleiteten Ermittlungen dauern bis heute an.

Im Gespräch mit der SZ räumt der Thüringer Justizminister Dieter Lauinger ein, schon länger über die Kritik an Zschächner informiert zu sein. "Allerdings liegt das Verfahren bei Dienstaufsichtsbeschwerden zunächst bei der Leitung der Staatsanwaltschaften", sagt der Grünen-Politiker. Katharina König-Preuss habe den Staatssekretär des Ministeriums lediglich mündlich über Beschwerden informiert. Deren Hintergründe seien ihm nicht bekannt.

Lauinger arbeitete früher selbst als Richter. Teile der Formulierungen Zschächners, etwa im Zusammenhang mit der Auschwitz-Zeile, hätten ihn "sehr befremdet". Auf die Frage, warum das Justizministerium nicht schon früher reagierte, antwortet Lauinger: "Ich habe mich als Justizminister nach meiner Selbstverpflichtung nicht in Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einzumischen" - eine Aussage, die er im Gespräch in verschiedenen Varianten wiederholt.

Die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken ist im Koalitionsvertrag verankert. Lauinger zieht sich wiederholt darauf zurück, betont die Rolle von Zschächners Vorgesetzten, die nun die Vorwürfe prüfen sollen. Auch hier werde er sich nicht einmischen. Es gebe keinen Grund, an der Arbeit der Staatsanwaltschaft Gera zu zweifeln - jener Behörde, die Zschächners Ermittlungen gegen das "Zentrum für politische Schönheit" erst einstellte, als der öffentliche Druck zu groß wurde.

Zur SZ-Startseite
Die sterblichen Überreste von ertrunkener Syrerin bestattet

Prantls Blick
:Es riecht nach Rechtsbeugung aus politischen Gründen

Der Staatsanwalt, der gegen den Leiter des "Zentrums für politische Schönheit" ermittelt, steht der AfD nahe. Eine Spende an die Partei und eine Einstellungsverfügung werfen Fragen auf.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: