SS-Kriegsverbrecher Faber aus Ingolstadt:Der letzte Versuch

Der 88-jährige Kriegsverbrecher Klaas Faber lebt seit 58 Jahren in Deutschland, weil ein Hitler-Erlass ihn zum Deutschen gemacht hat. Nach langem juristischen Querelen haben die Niederlande nun einen Europäischen Haftbefehl erlassen.

Hans Holzhaider

88 Jahre alt ist Klaas Carel Faber nun schon, und seit fast 60 Jahren - genau gesagt, seit dem zweiten Weihnachtstag 1952 - bemüht sich die Regierung der Niederlande, den Mann, der 1947 von einem Sondergericht zum Tode verurteilt und dann zu lebenslanger Haft begnadigt wurde, wieder in ihre Gewalt zu bringen.

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Klaas Faber wohnt schon lange in Ingolstadt - noch länger sucht ihn die niederländische Justiz.

(Foto: AFP)

An jenem Tag war Klaas Faber mit sechs anderen aus einem Gefängnis in Breda entwichen und hatte die Grenze nach Deutschland überquert. Seit 1961 lebt er in Ingolstadt. Jetzt haben die Niederlande, einer Empfehlung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger folgend, einen europäischen Haftbefehl gegen Faber erlassen. Es ist der letzte Versuch in einer langwierigen und überaus komplizierten juristischen Auseinandersetzung, und ob er, aus niederländischer Sicht, zum Erfolg führt, ist völlig ungewiss. Denn kaum ein anderes Rechtsgebiet ist mit so vielen Fallstricken versehen wie das der internationalen Rechtshilfe.

Schon unmittelbar nach der Flucht der "Sieben von Breda", wie die Ausbrecher bald in der deutschen Presse genannt wurden, hatten die Niederlande deren Auslieferung beantragt.

Die deutsche Justiz aber hielt die Flüchtlinge allesamt für deutsche Staatsbürger. Ein Erlass Adolf Hitlers hatte Ausländern, die der Waffen-SS beigetreten waren, die deutsche Staatsbürgerschaft zugesichert. Deutsche aber waren durch den Grundgesetzartikel 16 vor einer Auslieferung an andere Staaten geschützt; das Oberlandesgericht Düsseldorf lehnte deshalb 1954 die Auslieferung Fabers ab. Auch der Versuch, Faber wegen seiner in Holland begangenen Verbrechen in Deutschland den Prozess zu machen, scheiterte. Das Landgericht Düsseldorf stellte 1957 eine gerichtliche Voruntersuchung gegen Faber aus Mangel an Beweisen ein. Das lag auch daran, dass die Niederlande, die der deutschen Justiz damals noch mit großem Misstrauen begegneten, sich weigerten, Beweismaterial zu übergeben.

Ein geruhsamer Advent für den SS-Mann

Nun geschah lange nichts. Erst nachdem durch das Schengener Abkommen die Internationale Rechtshilfe innerhalb der EU neu geregelt wurde, kam wieder Bewegung in den Fall. 2003 beantragten die Niederlande, die 1947 gegen Faber verhängte Strafe in Deutschland zu vollstrecken. Das Landgericht Ingolstadt lehnte das ab und verwies zur Begründung auf die Düsseldorfer Entscheidung von 1957 - Mangel an Beweisen - obwohl inzwischen genügend Material aus den Niederlanden zur Verfügung stand.

Ein neues Ermittlungsverfahren gegen Faber wurde 2007 von der Staatsanwaltschaft München I eingestellt. Sie kam zu dem Ergebnis, die Faber zur Last gelegten Erschießungen von Gefangenen könnten nur als Totschlag, nicht als Mord gelten, und wären somit längst verjährt.

Die Auslieferung eines Deutschen zum Zweck der Strafvollstreckung wäre nach dem Gesetz auch nur möglich, wenn der Betroffene zustimmt, was im Fall Faber mit Sicherheit nicht zu erwarten ist. Um diese Klippe zu umschiffen, bezeichnen die Niederlande den 88-Jährigen in ihrem Haftbefehl als "staatenlos". Zu allererst muss das bayerische Innenministerium nun prüfen, ob Faber tatsächlich Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Auch das ist eine äußerst komplizierte Rechtsfrage, in der sich die Experten alles andere als einig sind. Klaas Faber kann sich durchaus noch auf eine geruhsame Adventszeit einstellen.

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