Sri Lanka und die Tamil Tigers:Jagd nach dem untoten Tiger

Sri Lanka gibt sich dem Rausch des Sieges über die Rebellen hin - doch die Angst vor Widerstandsnestern, Vergeltung und Terror bleibt.

Oliver Meiler, Singapur

Einer fehlt noch immer in der Galerie der gefallenen Feinde. Ein Monat nach dem offiziellen Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka ist noch immer nicht klar, ob Pottu Amman, die gefürchtete Nummer 2 der Tamil Tigers, tatsächlich tot ist - gefallen im Kreis Dutzender Rebellen in den letzten Tagen des Konflikts im Nordosten der Insel, auf einem kleinen Flecken Land zwischen Lagunen und Palmen.

Sri Lanka und die Tamil Tigers: Siegesfeiern in Colombo nach dem Sieg über die tamilischen Rebellen

Siegesfeiern in Colombo nach dem Sieg über die tamilischen Rebellen

(Foto: Foto: AFP)

Der Verteidigungsminister ist zwar "hundert Prozent überzeugt" davon. Überläufer sind es ebenfalls. Und der Armeechef sagt, der Mann sei "ganz sicher und wirklich tot". Doch Pottu Ammans Leiche wurde nicht gefunden.

Die Unsicherheit über sein Schicksal löst in der Hauptstadt Colombo, wo der Triumph der Armee seit Wochen mit einiger Ausgelassenheit gefeiert wird, handfeste Sorgen aus. Wenn nämlich der Geheimdienstchef der Rebellen und Anführer der Selbstmordeinheit "Black Tigers", am Leben wäre, wäre die Euphorie über den angeblich totalen Sieg getrübt. Interpol hält Pottu Amman für einen Meister der Tarnung.

Die Regierung hat den Ausnahmezustand um einen weiteren Monat verlängert. Ziel ist, untergetauchte Tamilentiger zu jagen. Etliche vermutet sie in den Auffanglagern für Flüchtlinge im Norden. Sie sind wie Internierungszentren angelegt und verletzen laut Menschenrechtsorganisationen in grober Weise die Würde der Insassen. Colombo weist die Kritik zurück und rechtfertigt sein hartes Vorgehen mit dem "Kampf gegen den Terrorismus".

Die Zweifel über die endgültige Vernichtung der Rebellenorganisation rühren von der blutigen Endschlacht her. Einzelheiten über die Ereignisse des 18. Mai 2009 sind nur wenige bekannt. Sri Lankas Regierung weigert sich, internationale Ermittler ins Land zu lassen, wie das der Westen fordert.

An jenem 18. Mai lancierte die Armee den entscheidenden Angriff auf die verbliebenen Tamilen, wohl etwa 300 Kämpfer und Kader, die sie nach einer langen Offensive eingekesselt hatte. Viele Rebellen sollen versucht haben, sich unter die Flüchtlinge zu mischen. So angeblich auch Velupillai Prabhakaran, der Gründer und Chef der Tamil Tigers.

Zunächst hieß es, Prabhakaran sei zusammen mit zwei weiteren Leuten erschossen worden, als sie die Kriegszone in einem Krankenwagen verlassen wollten und an einem Checkpoint gestoppt wurden. Später korrigierte die Armee diese Version, weil sie nahegelegt hätte, dass Prabhakaran auch hätte festgenommen werden können. Stattdessen wurde der Name eines Scharfschützen genannt, der den Chef der Aufständischen und dessen Gewährsleute im Kampf getötet haben soll.

Als Prabhakarans Leiche den Medien präsentiert wurde, hatten die Soldaten dessen Hinterkopf mit einem Tuch bedeckt. Die Bilder nährten den Verdacht, dass Prabhakaran mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe exekutiert worden war.

Zukunft der LTTE

Die Frage ist nun, ob die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), wie die Organisation mit vollem Namen heißt, fähig sein wird, sich militärisch je neu zu formieren. Der srilankische Terrorismusforscher Shanaka Jayasekara, einer der besten Kenner der Rebellen, glaubt nicht an ein Fortleben der Tiger: "Die Armee hat die gesamte Führung der LTTE eliminiert", sagt er zur Süddeutschen Zeitung, "auch ich bin überzeugt, dass Pottu Amman getötet wurde. Es fehlt der Gruppe nun an einer charismatischen Figur, um die herum sich eine neue Dynamik entwickeln könnte."

Den Streitkräften sei es gelungen, 11.000 Maschinengewehre zu beschlagnahmen, dazu 25 Kanonen, viele Dossiers und Computer mit Informationen. Außerdem hätten sich 7100 Kämpfer gestellt, sagt Jayasekara. Viele von ihnen würden nun reden.

Unklar ist aber, wie die LTTE-Ableger in der tamilischen Diaspora, hauptsächlich in Europa und Kanada, auf die Niederlage reagieren werden. In den meisten Ländern gilt die Organisation als Terrorgruppe und ist verboten. Jayasekara ist der Ansicht, dass einige der aktivsten Gruppen des internationalen Netzwerks nun, da sie von Sri Lanka abgekoppelt sind, versuchen könnten, ein Standbein aufzubauen, wenigstens eine kleine Guerilla-Einheit: "Ohne eine Präsenz in der Heimat wird es ihnen nicht gelingen, als Rebellen glaubwürdig zu sein und die Moral der enttäuschten tamilischen Diaspora anzuheben." Der Experte erwartet deshalb, dass Aufständische in naher Zukunft mit Anschlägen in Sri Lanka beweisen wollen, dass sie noch am Leben sind.

Als neuer starker Mann der Tiger gilt Selvarasa Pathmanathan, 51 Jahre alt, wahrscheinlich wohnt er in Thailand. Zwar ist er weder berufen noch gewählt, doch die Stimme des Verantwortlichen für "Internationale Beziehungen" ist die lauteste unter allen verbliebenen tamilischen Wortführern.

Pathmanathan war es, der den Tod des Rebellenchefs Velupillai Prabhakaran vehement dementierte, bald darauf bestätigte und schließlich die Niederlage der LTTE eingestand - immer im Namen der Organisation und auf der Webseite Tamilnet.

Doch die Gruppe hat keine Erfahrung in der Regelung von Nachfolgefragen. Prabhakaran hatte die LTTE in 70er Jahren gegründet und stand ihr bis zu seinem Tod vor. Von seinen Anhängern wurde er verehrt. Seine kompromisslose Forderung nach einem unabhängigen Staat für die unterdrückte tamilische Minderheit war drei Jahrzehnte lang das Mantra der Rebellen.

Pathmanathan redet nun anders. Er beteuert, die LTTE werde der Gewalt abschwören und den demokratischen Weg einschlagen. Es gibt Stimmen, die vermuten, Pathmanathan wolle in die reguläre Politik einsteigen.

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