Terrorismus:Was über die Anschläge in Sri Lanka bekannt ist

Was genau ist am Ostersonntag passiert, wie viele Opfer sind zu beklagen und wer steckt hinter der Anschlagsserie? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist am Ostersonntag in Sri Lanka passiert?

Insgesamt gab es Explosionen an mindestens acht Orten. Nach Angaben eines von der sri-lankischen Zeitung Daily Mirror zitierten Polizeisprechers ereigneten sich die ersten sechs Explosionen etwa zwischen 8.45 Uhr und 9.05 Uhr Ortszeit. Die Anschläge trafen drei Kirchen und drei Luxushotels.

Die drei Kirchen befinden sich in der Hauptstadt Colombo, dem etwa 35 Kilometer nördlich gelegenen Negombo und in Batticaloa, etwa 280 Kilometer östlich von Colombo. Die drei Fünf-Sterne-Hotels liegen in einem Umkreis von etwa zwei Kilometern innerhalb des Geschäfts- und Einkaufsviertels Colombos nahe der Strandpromenade.

Der Daily Mirror berichtete weiter, im Luxushotel Shangri-La hätten zwei Attentäter zwei Bomben gezündet: eine in einem Restaurant im dritten Stock, in dem gerade ein Oster-Brunch stattfand - die andere auf der gleichen Etage in der Nähe der Aufzüge. Später gab es eine weitere Explosion in einem kleinen Hotel in Dehiwala-Mount Lavinia, einem Vorort von Colombo. Eine weitere Explosion ereignete sich am Sonntagnachmittag in einer Wohngegend in Dematagoda, einem weiteren Vorort Colombos. Die Details dieser drei Anschläge sind noch unklar.

Am Sonntagabend wurde in der Nähe des größten Flughafens der Insel, etwa 30 Kilometer von Colombo entfernt, ein Sprengsatz gefunden und entschärft, wie ein Sprecher der Luftwaffe mitteilte. In der Nähe eines der Anschlagsorte wurde am Montag ein Sprengsatz in einem geparkten Auto gefunden. Bombenentschärfer sprengten das Fahrzeug in der Nähe der St.-Antonius-Kirche in Colombo, wie die Polizei mitteilte. An einem anderen Ort der Stadt seien an einer Bushaltestelle 87 Zünder sichergestellt worden.

Wie viele Opfer sind zu beklagen?

Zwei Tage nach den Attentaten ist die Zahl der Todesopfer auf 310 gestiegen. Das erklärte die Polizei am Dienstag. Unter den Opfern befanden sich viele Christen, die in den betroffenen Kirchen den Ostergottesdienst feierten. Mehr als 500 Verletzte wurden nach den Explosionen den Angaben zufolge noch in Krankenhäusern behandelt.

Sind Ausländer unter den Toten?

Unter den mindestens 39 getöteten ausländischen Touristen aus neun Ländern ist auch ein Deutsch-Amerikaner, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Weitere deutsche Opfer gebe es nach derzeitigen Erkenntnissen nicht, sagte eine Sprecherin am Montag weiter.

Nach Angaben Sri Lankas und der jeweiligen Länder wurden zudem acht Briten, drei Dänen und drei Niederländer getötet. Auch Bürger aus Frankreich, Spanien, Portugal, den USA, Australien, Bangladesch, Indien, China, Japan, Saudi-Arabien und der Türkei waren unter den Toten. Bei den dänischen Todesopfern handelt sich nach Angaben dänischer Medien um drei der vier Kinder des reichsten Mannes Dänemarks, Anders Holch Povlsen. Er ist Eigentümer des Modekonzerns Bestseller. Ein Konzernsprecher bestätigte dies der Zeitung Ekstra Bladet und dem dänischen Rundfunk DR. Er bat um die Wahrung der Privatsphäre der Familie.

14 Ausländer werden nach Angaben des Außenministeriums Sri Lankas noch vermisst.

Wie reagiert die politische Führung des Landes?

Staatspräsident Maithripala Sirisena erklärte einen öffentlichen Notstand. Die zunächst nicht näher benannten Bestimmungen traten in der Nacht zum Dienstag in Kraft, der zu einem nationalen Trauertag erklärt wurde. Dienstagnacht galt erneut eine Ausgangssperre. Der Zugang zu sozialen Medien wurde gesperrt. Dies diene dazu, die Verbreitung von Gerüchten zu unterbinden, so die staatlichen Behörden.

Sirisena habe den Notstand im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der Wahrung der öffentlichen Ordnung und zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen erklärt, hieß es in einer Erklärung des Präsidenten. Die Sicherheitskräfte sollen seinem Büro zufolge weitreichende Befugnisse erhalten.

Nach dem Gesetz können diese etwa für Hausdurchsuchungen ohne Erlaubnis eines Gerichts und für Verhaftungen ohne Haftbefehl gelten. Solche Bestimmungen waren während des Bürgerkriegs von 1983 bis 2009 in Sri Lanka fast dauerhaft in Kraft - und auch darüber hinaus noch bis 2011.

Wie reagiert die internationale Staatengemeinschaft?

Der UN-Sicherheitsrat hat die Anschlagsserie auf das Schärfste verurteilt. Zugleich sprach er den Familien der Opfer der "abscheulichen und feigen" Anschläge tief empfundenes Mitgefühl aus, wie es in einer Mitteilung des UN-Gremiums vom Montag hieß. Den Verletzten werde eine rasche Genesung gewünscht.

Terrorismus stelle in all seinen Erscheinungsformen eine der schwerwiegendsten Bedrohungen für den Frieden und die internationale Sicherheit dar, hieß es weiter. Täter, Organisationen und Geldgeber dieser Terrorakte müssten zur Rechenschaft gezogen und vor Gericht gestellt werden.

Deutsche Politiker von CDU, FDP und Grünen beklagten vor dem Hintergrund der Anschläge die gewachsene Bedrohung christlicher Minderheiten in vielen Staaten. "Der Terror in Sri Lanka reiht sich ein in verschiedene Anschläge gegen Christen weltweit", sagte der Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), der Welt. Der frühere Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der Bild: "Ich sehe mit großer Besorgnis die wachsende Christenverfolgung im gesamten asiatischen Raum. Nationalistische Bewegungen von Buddhisten, Hindus und Muslimen werden hier immer militanter." In Sri Lanka sind etwa sieben Prozent der 20 Millionen Einwohner Christen.

Wer wird hinter den Taten vermutet?

42 Menschen sind nach Angaben der Polizei bisher in Gewahrsam. Darunter sei auch ein syrischer Staatsbürger. Von der Regierung hieß es am Montag, insgesamt sieben sri-lankische Selbstmordattentäter hätten sich in den drei Kirchen und drei Luxushotels in die Luft gesprengt. Sie hätten der einheimischen radikal-islamischen Gruppe National Thowheeth Jamaath angehört.

In Sri Lanka ist seit Längerem eine Gruppe namens Sri Lanka Thawheed Jamaat (SLTJ) aktiv. Sie hat wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ihre Wurzeln im Wahhabismus, einer streng-konservativen Lesart des Islams, die in Saudi-Arabien vorherrscht und als wichtigste ideologische Quelle des Dschihadismus gilt. Bei der jetzt verdächtigten Gruppe National Thowheeth Jamaath könnte es sich um einen SLTJ-Ableger handeln.

Wie am Dienstag bekannt wurde, reklamiert der IS die Anschläge für sich. Das IS-Sprachrohr Amak berichtete in den sozialen Netzwerken, dass die Angreifer, die die Attacken durchgeführt haben, Kämpfer des Islamischen Staates gewesen seien. Die Echtheit der Bekennernachricht ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Sie erfolgte aber über die üblichen Kanäle in den sozialen Netzwerken, in denen der IS auch bereits in der Vergangenheit Anschläge für sich reklamiert hatte.

Was ist über die Hintergünde der Taten bekannt?

Vieles ist noch unklar. Einer der Attentäter war nach Angaben eines Kabinettsministers vor wenigen Monaten wegen der Beschädigung von Buddha-Statuen festgenommen worden. Bei neun Festgenommenen handelte es sich um Mitarbeiter einer Fabrik, die einem der anderen Täter gehörte. Mehr als 20 Häuser seien inzwischen durchsucht worden, sagte die Polizei.

Nach ersten Erkenntnissen der Regierung waren die Attacken als Vergeltung für den Anschlag auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch im März gedacht. Das erklärte Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene am Dienstag im Parlament.

Die Regierung ist außerdem überzeugt, dass die Täter Hilfe aus dem Ausland gehabt haben müssen. "Wir glauben nicht, dass diese Angriffe von einer Gruppe von Menschen verübt wurde, die auf dieses Land begrenzt war", sagte Kabinettssprecher Rajitha Senaratne. "Es gab ein internationales Netzwerk, ohne das diese Angriffe nicht gelungen wären."

Nach den Worten von Senaratne gab es vor den Attacken Hinweise auf Anschlagspläne der National Thowheeth Jamaath. Ausländische Geheimdienste hätten bereits am 4. April über mögliche Selbstmordanschläge auf Kirchen und Touristenziele in Sri Lanka informiert. "Wir tragen die Verantwortung, es tut uns sehr leid", sagte Senaratne im Namen der Regierung.

Wie gehen die Ermittlungen voraussichtlich weiter?

Sirisena berief ein dreiköpfiges Team ein, das die Anschlagsserie untersuchen und in zwei Wochen einen ersten Bericht vorlegen soll. Die internationale Polizeiorganisation Interpol kündigte an, Spezialisten mit Expertise in den Bereichen Tatortuntersuchung, Sprengstoff, Terrorismusbekämpfung und Opferidentifizierung zu entsenden.

Einem Bericht der Washington Post zufolge entsandte auch die US-Bundespolizei FBI Ermittler nach Sri Lanka und bot offiziell Unterstützung an, etwa bei der Laboruntersuchung von Sprengstoffresten.

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