Gerade mal zwei Jahre ist es her, dass die Menschen in Sri Lanka, in Zeiten größter wirtschaftlicher Not, ihre Regierung stürzten. Mit wütenden Massenprotesten trieben sie damals ihren Präsidenten Gotabaya Rajapaksa aus dem Land. Damit war die mächtigste Politikerdynastie des Landes erst einmal kaltgestellt, alle Wut hatte sich auf sie konzentriert. Mitten in der Misere übernahm dann Ranil Wickremesinghe das Ruder, um das marode und schlingernde Schiff halbwegs sicher durch den Sturm zu steuern.
Nun wählen die Bürgerinnen und Bürger des Inselstaates am Samstag einen neuen Präsidenten. Und es fällt auf, dass auch der Rajapaksa-Clan – trotz allen Zorns, den er in der Krise auf sich zog – schon wieder an seiner politischen Auferstehung arbeitet.
Die Netzwerke der Rajapaksas haben immer noch großen Einfluss
Ins Rennen geht Namal Rajapaksa, 38, Spross des Patriarchen Mahinda Rajapaksa und Neffe von Ex-Präsident Gotabaya, der in der Krise 2022 geflohen war. Auch Mahinda hatte das Land früher viele Jahre als Präsident und Premier geführt, er trägt erhebliche Verantwortung für die Überschuldung, die Sri Lanka schließlich zum Verhängnis wurde. Vom Paten China sammelte das Land unter Mahindas Führung einen fragwürdigen Kredit nach dem anderen ein.
Sinnbild seines Scheiterns ist der Flughafen in Hambantota. Mit ihm wollte sich die Rajapaksa-Clique ein Denkmal setzen. Doch sie bauten am falschen Ort, der Plan war nicht durchdacht, nun symbolisiert der Airport, als weißer Elefant, die Hybris eines Clans, der dem Land viele Chancen verbaut hat.
Trotz der verbreiteten Wut auf das Establishment haben die Netzwerke der Rajapaksas, die jahrzehntelang an den Geldhähnen saßen und sich systematisch Gefolgschaft sicherten, immer noch Einfluss. Die Familie demonstriert Entschlossenheit, sie will zurück auf die politische Bühne.
Der Alltag ist für viele Bürger ein zäher Existenzkampf
Nur wenige glauben allerdings daran, dass Rajapaksa junior jetzt schon die Wahl gewinnen könnte. Zu frisch sind die Wunden durch die Krise. Die meisten Experten sind sich einig, dass das Leiden der Bevölkerung maßgeblich in schlechter Regierungsführung, Missmanagement und der Überschuldung wurzelt. Gleichzeitig wurde die Misere durch weitere Faktoren mit ausgelöst und verschärft, die Folgen der Pandemie spielten eine große Rolle.
So verwandelte sich der Alltag für eine wachsende Zahl von Bürgern zum zähen Existenzkampf: 2022 wurden Nahrung, Medizin und Treibstoff knapp, die Inflation lag zeitweise bei 70 Prozent. Der Staat konnte weder Zinsen bezahlen noch dringend benötigte Güter aus dem Ausland einkaufen.
Drei der 38 Kandidaten scheinen gute Aussichten zu haben
Die politische Gemengelage ist jetzt, da sich das Land nur mühsam erholt, unübersichtlich. Auf Prognosen scheint wenig Verlass zu sein. 38 Kandidaten treten an für das höchste Amt, das ist Rekord. Alle sind Männer.
Kurz vor der Abstimmung sieht es so aus, als würden drei von ihnen die besten Chancen haben: Da ist zunächst Amtsinhaber Wickremesinghe, 75, der nach der Flucht von Gotabaya Rajapaksa vom Parlament zum Präsidenten bestimmt wurde. Sechsmal schon war Wickremesinghe Premierminister. Er tritt nun als unabhängiger Kandidat an, doch manche lehnen ihn ab, weil sie glauben, er stehe der Familie Rajapaksa zu nahe.
Die größte Oppositionspartei führt Sajith Premadasa, 57, der bei den Wahlen 2019 noch unterlag. 42 Prozent holte er damals immerhin, seine Anhänger hoffen, dass er es diesmal ganz nach vorn schafft.
Zuletzt hat vor allem ein Kandidat Aufwind bekommen, der sich als Gegner des Establishments zu profilieren sucht: Anura Kumara Dissanayake, 55. Er ist in der marxistischen Partei JVP aufgestiegen und führt ein linkes Wahlbündnis an. Mit ihm könnte es die größten, womöglich auch drastische Veränderungen geben. Einerseits nährt das Hoffnungen unter den größten Verlierern der Krise, andererseits aber auch Ängste, vor allem im Establishment, das um seine Macht und seinen Einfluss fürchtet. Sorge haben aber auch jene, die generell nicht überzeugt sind, dass die radikale Linke einen haltbaren ökonomischen Aufschwung organisieren kann.
Im Zentrum des Wahlkampfes: die schwierige wirtschaftliche Lage
Die wirtschaftliche Lage steht im Zentrum des Wahlkampfes, viele klagen, dass sie hohe Steuern zahlen und mit niedrigen Löhnen auskommen müssen. Insofern sind die Wahlen, wie der Analyst Chietigj Bajpaee vom Thinktank Chatham House schreibt, auch „ein Referendum über die schwierigen Einsparungen“, die zuletzt verordnet wurden.
2023 hat der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Rettungspaket über 2,9 Milliarden Euro geschnürt, Präsident Wickremesinghe hat die schmerzhaften Reformen auf den Weg gebracht. Kein Präsident wird es sich vermutlich leisten können, mit dem IWF zu brechen.
Aber wer immer am Samstag siegt, steht unter enormem Druck: Seit 2019 hat sich der Anteil der Armen in Sri Lanka verdoppelt; jeder Vierte lebt dort im Elend. Und um sich wieder aufzurappeln, dürfte der Staat noch Jahre benötigen.