Sprachprobleme bei Sarah Palin:Auf Shakespeares Pfaden

Sarah Palin hat aus Versehen ein neues Wort erfunden: "to refudiate". Jetzt vergleicht sie sich mit Shakespeare. Die Amerikaner lachen - und übersehen die ausgeklügelte Strategie hinter der Neuschöpfung.

Florian Fuchs

Sarah Palin, das kann man durchaus behaupten, ist eine durchschnittlich gebildete Amerikanerin. Gut, manchmal wirkt sie seltsam: Dann verweist sie darauf, dass sie von ihrer Veranda in Alaska aus Russland sehen könne, um ihre außenpolitische Versiertheit zu unterstreichen.

Sarah Palin

Eine Moschee in der Nähe von Ground Zero? Nicht mit Sarah Palin! Sie bittet: "Friedliebende Muslime, please refudiate." Was immer das genau heißen mag.

(Foto: ap)

Aber andererseits: Sie war US-Vizepräsidentschaftskandidatin und Gouverneurin von Alaska - das schafft ja auch nicht jeder. Alles zusammen betrachtet also: durchschnittlich gebildet.

Damit dürfte Palin über einen aktiven Wortschatz von etwa 15.000 Begriffen verfügen. Über die genaue Zahl streiten sich Forscher noch, doch als sicher gilt, dass in Shakespeares Werken 34.000 verschiedene Wörter gezählt werden.

Wie auch immer: Bei Sarah Palin ist vergangene Woche ein Begriff hinzugekommen, den auch der zweifelsohne überdurchschnittlich gebildete Shakespeare nicht kannte: "refudiate".

Man braucht keine Sprachforscher, um das Wort zu entschlüsseln. Es ist offensichtlich eine Kreuzung aus "refuse" (ablehnen) und "repudiate" (zurückweisen): zurückabweisen also, oder zurückablehnen.

Palin hat das Wort via Blackberry in die Welt getwittert, weil sie es in ihrer Eigenschaft als Konservative und Republikanerin nicht gut finden kann, dass in der Nähe von Ground Zero in New York nun vielleicht eine Moschee errichtet werden soll.

Sie wandte sich deshalb gleich direkt an die potentiellen Nutzer: "Friedliebende Muslime, please refudiate." Also: Bitte zurückabweist diese Baupläne.

Es wäre als Fauxpas durchgegangen, hätte die hochbezahlte Kommentatorin Palin das Wort nicht ein paar Tage zuvor schon einmal benutzt, in einem Interview mit ihrem Haus- und Hofsender Fox News. Da sagte sie, Barack Obama könnte eine Resolution der afroamerikanischen Bewegung NAACP "zurückabweisen".

Auf den Spuren von Bush junior

Nach dem Ground-Zero-Statement lachten einige über Palins Sprachgebrauch. Es ist ja nicht das erste Mal, dass die Hockeymom die Nation und die westliche Welt belustigt.

Sarah Palin

Muss sich auf der Hand notieren, was ihrer Meinung nach die wichtigsten Themen der US-Konservativen sind: Sarah Palin beim Tea-Party-Convent im Februar 2010.

(Foto: ap)

Im Februar lachte man darüber, dass sich Palin sieben ihrer 15.000 Wörter bei einem Auftritt in ihrer Hand notiert hatte, um sie nicht zu vergessen. Dank der Erinnerungshilfe konnte sie ihr konservatives Publikum mit "Energy" (Energie), "Budget Cuts" (Budgetkürzungen), "Tax" (Steuern) und "Lift American Spirits" (den amerikanischen Geist wiederbeleben) begeistern.

Als sich nun in Internetforen hämische Kommentare über die "Zurückabweisung" häuften, beeilten sich Palin und ihr Team die Twittermeldung zu löschen. Weil dies den Spott nicht stoppte, versuchte sich die 46-Jährige zu rechtfertigen - und teilte der Welt via Twitter mit: "Englisch ist eine lebendige Sprache. Auch Shakespeare erfand gerne neue Wörter."

"misunderestimate" und "gobbledygook"

Vielleicht sollte Palins Medienmanager ihr das Handy aus der Hand nehmen. Oder den Twitteraccount sperren. Andererseits: Vielleicht ist es Taktik. Eine ganz ausgeklügelte Medienstrategie. Schließlich liebäugelt Palin ja mit einer Präsidentschaftskandidatur.

Und da lohnt es sich doch, dem großen George W. Bush nachzueifern. Der war für seine Wortdreher berühmt - und saß trotzdem acht Jahre im Weißen Haus. "Misunderestimate" war sein bekanntester Kauderwelsch-Begriff. Eine Mischung aus "misunderstand" (missverstehen) und "underestimate" (unterschätzen). Bush fühlte sich halt beides: mißverstanden und unterschätzt.

Die Amerikaner nannten Bushs Geschwafel irgendwann nur noch "Bushism". Spätestens nach dem jüngsten Twitter-Unfall ist nun auch der "Palinism" auf einem guten Weg, in den alltäglichen Sprachgebrauch einzugehen.

Um mit Bush mithalten zu können, müsste Palin allerdings noch einiges an "gobbledygook" abliefern. Das ist US-Slang für Kauderwelsch - und auch ein seltsames Wort.

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