Süddeutsche Zeitung

Sprachen:Wer hat's erfunden?

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Forscher behaupten, dass Englisch ein chinesischer Dialekt sei.

Von Lea Deuber

Chinesisch gehört mit zu den schwierigsten Sprachen der Welt. Glaubt man einer Gruppe von chinesischen Wissenschaftlern, können sich zumindest die Englischsprechenden nun freuen. Der Forschungsverbund der Weltzivilisation, ein Zusammenschluss aus chinesischen Akademikern, will nämlich herausgefunden haben, dass Englisch eigentlich ein Dialekt der chinesischen Sprache ist. Beispiel gefällig? Shop leite sich vom gleichbedeutenden Wort shangpu ab. Die Farbe yellow stamme von yelou, chinesisch für fallende Blätter. Und heart, also Herz, komme von hexin, dem Wort für Kern.

Fairerweise sollte man hinzufügen, dass trotz des medialen Rummels um die angebliche Entdeckung auch die meisten Wissenschaftler in China Zweifel an der Theorie hegen. Viele halten sie wohl schlicht für verrückt. Eine gewisse Empfänglichkeit gegenüber waghalsigen historischen Theorien lässt sich allerdings in China zunehmend beobachten. Spätestens mit dem Amtsantritt von Xi Jinping verstärkt die Parteiführung wieder die Propaganda rund um die Errungenschaften des antiken Chinas. Der Präsident verspricht seinem Volk, die Jahrhunderte der Demütigung und des Rückstands hinter sich zu lassen und wieder eine Weltmacht zu werden. China soll wieder Reich der Mitte sein, Zentrum der Innovation und des Fortschritts. Dafür wird die Geschichte des Landes kontinuierlich ein bisschen länger - so wie die Liste angeblicher Errungenschaften.

Die vier größten Erfindungen kennt in China jedes Kind: Das sind Papier, der Kompass, das Schießpulver und der Buchdruck. Doch reichen tut das längst nicht mehr. Präsident Xi ließ bereits die größten chinesischen Entdeckungen im 21. Jahrhundert küren. Glaubt man den Staatsmedien, gehören dazu die Entwicklung der Schnellzüge, der Onlinehandel, die Leihfahrräder ohne festen Abstellplatz und das Zahlen mit dem Mobiltelefon. Insgesamt eine eher abenteuerliche Aufstellung.

Und es geht noch weiter. Bei einem Besuch auf der britischen Insel erklärte Xi 2015 den Engländern, dass man in China schon 2000 Jahre länger Fußball spiele. Laut Staatsmedien schlug man dort auch schon Golfbälle, da gab es in Großbritannien nicht mal eine Queen. Ebenso habe man neben Pizza und Pasta (ein angebliches kulinarisches Raubgut von Marco Polo) den Hund erfunden. Das erste domestizierte Tier sei schon vor 16 000 Jahren durch China spaziert. Möglicherweise sogar schon vor 33 000 Jahren.

Um dem Ganzen ein solides wissenschaftliches Fundament zu geben, wählte die Regierung bereits vor ein paar Jahren ein Team mit 100 Wissenschaftlern aus, um endlich eine vollständige Liste aller chinesischen Erfindungen aufzustellen. Auf genau 88 Erfindungen und technologische Errungenschaften kam die Gruppe 2016. Ein echter Zufall, wenn man bedenkt, dass die Zahl Acht in China Glück verheißt.

Der Forschungsverbund, der Englisch als chinesischen Dialekt bezeichnet, geht aber noch einen Schritt weiter. Rom und Athen? Hat es nie gegeben. Die europäische Zivilisation: ein Mythos. Ein Versuch des barbarischen Westens, ein klein bisschen weniger armselig auszusehen - also im Vergleich zu China.

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Quelle:
SZ vom 11.09.2019
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