SportNaan und Spiele

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Eine olympische Medaille gilt in Indien als Währung für die Ewigkeit - nicht nur im Sport.

Von David Pfeifer

Für die einen sind die Olympischen Spiele gerade vorbei, für die anderen gehen die Paralympics kommende Woche los. Und für einige werden die Spiele nie enden. Neeraj Chopra ist einer von ihnen, er hat beim Speerwerfen die erste Goldmedaille in der Leichtathletik für Indien gewonnen. Sechs Millionen Rupien (etwa 70 000 Euro) Belohnung zahlt ihm alleine seine Heimatprovinz Haryana. Dazu kommen diverse Millionen von Sponsoren und ein Jahr Freiflüge bei einer Airline. Ähnlich geht es der Boxerin Lovlina Borghohain, sie erkämpfte die Bronzemedaille im Weltergewicht und damit gleich noch eine Lebensanstellung in einem Job in der Regierung ihres Heimatstaates Assam. Mit sieben Medaillen insgesamt waren es die erfolgreichsten Olympischen Spiele für Indien überhaupt. Es werden sogar Straßen nach den Athletinnen und Athleten benannt.

Im Gegensatz zu Europa, wo man die Umstände kritisiert, unter denen solche Veranstaltungen heute vergeben und durchgezogen werden, herrscht in Indien große Begeisterung für Olympische Spiele. Premierminister Narendra Modi und Oppositionsführer Rahul Gandhi lieferten sich einen eigenen Wettbewerb, wer auf Twitter schneller gratuliert, auch für hintere Ränge oder Erfolge in randständigen Sportarten. Im Fernsehen wurde rund um die Uhr berichtet, über Ausgeschiedene, unglücklich Geschlagene oder schlecht Bestrahlte - Horoskop und Sternenstand sind durchaus Elemente der sportlichen Berichterstattung. Inder gelten als abergläubisch.

Wieso hat Indien eigentlich so wenig Medaillen gewonnen?

Natürlich steht hinter dieser Begeisterung auch die Frage, wieso es eigentlich so wenig Medaillen gibt für die zweitgrößte Nation der Erde. Bei mehr als einer Milliarde Einwohnern und riesiger Euphorie müsste doch mehr drin sein als Rang 48 im Medaillenspiegel, zwischen Rumänien, Venezuela und Hongkong. Der noch größere Nachbar China kam auf Platz zwei. Trotzdem ließ sich Modi in der vergangenen Woche ausgiebig bei einer Begegnung mit den neuen Helden fotografieren und baute sie sogar in seiner Rede zum 75. Jahrestag der Unabhängigkeit Indiens ein.

Es wird schon geträumt von Olympischen Spielen in Delhi nach 2047 - da werden 100 Jahre Unabhängigkeit gefeiert. "Heute gibt es ein Bewusstsein für Sport und Fitness im ganzen Land", sagte Modi in seiner Rede, er bezeichnete ihre Leistungen als Wendepunkt für die Nation und würdigte den historischen Erfolg. Der erste und bis dahin letzte Goldmedaillengewinner, Abhinav Bindra, bis heute ein Star und mit der Ehrenmedaille der Nation ausgezeichnet, hatte seinen Sieg 2008 in Peking im Luftgewehrschießen über zehn Meter errungen.

Modi konnte gute Nachrichten gebrauchen, zwei Tage später wurde eine Umfrage veröffentlicht, die zeigt, dass die Zustimmung für ihn innerhalb eines Jahres von fantastischen 68 auf 24 Prozent gesunken ist. Als Grund gilt der schlechte Umgang der Regierung mit der Pandemie. Allerdings landete Oppositionsführer Rahul Gandhi bei dieser Umfrage nur bei elf Prozent. Was man von Olympischen Spielen fürs Leben lernen kann: Man muss nicht immer der Beste sein, nur besser als der Zweitplatzierte.

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