SPÖ straft Kanzler ab:Sieger sehen anders aus

Die SPÖ straft Österreichs Kanzler Faymann ab. Auch in Umfragen sacken die Sozialdemokraten ab. Warum das so ist, das war am Wochenende auf dem Parteitag in aller Peinlichkeit zu besichtigen.

Cathrin Kahlweit, St. Pölten

SPÖ straft Kanzler ab: Werner Faymann läutet den Wahlkampf ein: Der Bundeskanzler wurde mit 83 Prozent als SPÖ-Chef wiedergewählt - ein deutlicher Rückgang gegenüber den 98 Prozent von 2008

Werner Faymann läutet den Wahlkampf ein: Der Bundeskanzler wurde mit 83 Prozent als SPÖ-Chef wiedergewählt - ein deutlicher Rückgang gegenüber den 98 Prozent von 2008

(Foto: AFP)

So hatte sich Werner Faymann den Bundesparteitag der Sozialdemokraten sicher nicht vorgestellt. Ein Jahr vor den österreichischen Nationalratswahlen wollte sich der Kanzler in St. Pölten als Parteichef bestätigen lassen, und zwar zumindest mit dem gleichen Ergebnis wie beim letzten Mal: mit knapp 94 Prozent. Diesmal wurden es allerdings zehn Prozentpunkte weniger, und der Schock stand Faymann ins Gesicht geschrieben. Ein schräges Grinsen bei starrem Blick - Sieger sehen anders aus.

Dass der Parteitag der einstmals so mächtigen österreichischen Sozialdemokratie kein Aufbruch, ja nicht mal ein Weiter so sein konnte, dass sich Genossinnen und Genossen in dem schmucklosen Betonbau neben der Westautobahn mehr an der Melange und den Würsteln im Nebenraum delektierten als an den Auftritten der Parteispitze im Saal, das liegt auch und vor allem an dieser Parteispitze und am Kanzler selbst. Die Umfragewerte sacken ab, so dass man bei der SPÖ kaum damit zufrieden sein kann, mit 27 Prozent immer noch vor ÖVP (22), FPÖ (21) und Grünen (15) zu liegen. Auch die Zustimmungswerte für Faymann sind stark zurückgegangen, elf Prozent weniger Befragte als beim letzten Mal vertrauen ihm laut einer vom Standard veröffentlichten Umfrage.

Warum das so ist, das war am Wochenende in St. Pölten in aller Peinlichkeit zu besichtigen.

So weit, so gut, so SPÖ

Strittige Themen wie die heiß diskutierte Abschaffung der Wehrpflicht und die Einführung eines Profi-Heeres waren aus dem offiziellen Ablauf herausgelöst und in eine Vorabend-Diskussion verlagert worden. Auch über das Ärgernis Studiengebühren mochte man lieber nicht offen diskutieren. Stattdessen verlegte sich die Partei auf die Gerechtigkeitsdebatte - nach dem Motto: Mitten in der Finanzkrise kann es nicht schaden, wenn eine linke Partei zur Abwechslung auch mal linke Politik macht.

Also begann Faymann in seiner programmatischen Rede mit dem Lobpreis der innerparteilichen Solidarität, wetterte dann gegen Ausbeutung und die Schere zwischen Arm und Reich, bekannte, dass er Hunger nicht für ein Naturgesetz hält, schimpfte gegen Finanzjongleure und forderte Steuergerechtigkeit. Zum Schluss kündigte er mehr Verteilungsgerechtigkeit, eine höhere Grundsteuer und die Wiedereinführung der Erbschaftsteuer an - so weit, so gut, so SPÖ.

Die Delegierten folgten ihrem Kanzler zwar nicht begeistert, aber doch mit Anerkennung. Aber wie ein kleiner Junge, der in seinem Kinderzimmer eine schöne Burg aus vielen bunten Klötzchen gebaut hatte (ein Stein für höhere Vermögenssteuern, darüber ein Stein für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, darauf ein Stein für die Finanztransaktionssteuer), so zerschlug er kurz darauf in einem Anfall von Trotz seine ganze, schöne Konstruktion und zeigte sich als überheblicher Parteipolitiker, als zorniger Wüterich. Vorbei die Wirkung seiner Rede, vergeblich die Ablenkungsmanöver Sozialpolitik, Gerechtigkeit und Europa. Das Ergebnis: eine lahme Debatte und die Rache an den Urnen: 83, 43 Prozent.

Der Grund für die Ohrfeige: Faymann hätte vor einigen Wochen vor einem Untersuchungsausschuss erscheinen sollen, der Korruptionsaffären untersucht. Allein, er wollte nicht. Nun muss man diesen Ausschuss, der seine Ergebnisse aus politischen Zweckbündnissen auf Zeit erzielte, nicht mögen. Solange es aber gegen die anderen Parteien gegangen war, hatte die SPÖ sich nicht verweigert. In St. Pölten schmähte Faymann den Ausschuss als Wahlkampfplattform. Er lasse sich nicht kriminalisieren, der politische Gegner wolle ihn in den Sumpf ziehen.

Die Mehrheit der Bevölkerung, aber offenbar auch viele Genossen, halten diese Missachtung demokratischer Instrumente und parlamentarischer Arbeit für falsch und feige. Der Kanzler bekam nun eine erste Quittung dafür.

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