Spitzentreffen im Kanzleramt:Fiskalpakt-Verhandlungen stehen vor dem Durchbruch

Keine Entscheidung, doch zumindest eine deutliche Annäherung: Die Bundesregierung will nach SPD-Angaben schon in den kommenden Wochen die Einführung einer Finanzmarktsteuer auf EU-Ebene vorantreiben. Allerdings feilschen Regierung und Opposition noch um andere Forderungen.

Im Streit über die Ratifizierung des EU-Fiskalpakts zeichnet sich zwischen Koalition und Opposition eine deutliche Annäherung ab. Die Partei- und Fraktionschefs berieten mit Merkel am Mittwoch mehr als zwei Stunden lang über die Bedingungen, unter denen die Opposition der Ratifizierung des Fiskalpakts zustimmen könnte, der für mehr Haushaltsdisziplin in der EU sorgen soll.

Man sei sich bei der Finanztransaktionsteuer einig, müsse sich aber noch genauer über das Wachstumspaket unterhalten, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel nach den Verhandlungen. Die ersten Schritte für eine Steuer auf Börsengeschäfte wolle die Regierung schon in diesem Monat auf europäischer Ebene in Gang setzen, so Gabriel.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach von Annäherungen bei dem Treffen. Ein nächstes Gespräch ist für den 21. Juni geplant und für einen ganzen Tag anberaumt. Bereits am Donnerstag will Angela Merkel den Zeitplan für die Abstimmung besprechen. Bis dahin werde Kanzleramtsminister Ronald Pofalla noch einmal mit einer Expertenrunde der Parteien zusammenkommen. Linksfraktionschef Gregor Gysi sagte nach dem Gespräch im Kanzleramt, er befürchte, der Fiskalpakt werde noch vor dem 1. Juli ratifiziert.

Die Regierung will den umstrittenen Fiskalpakt und den neuen Rettungsschirm ESM noch im Juni verabschieden. Weil dafür aber Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat nötig sind, braucht sie die Unterstützung der Opposition. Die fordert für ihre Zustimmung eine Steuer auf Börsengeschäfte und Wachstumsimpulse für Krisenländer. Die Grünen beharren zudem auf einen gemeinsamen Altschuldentilgungsfonds der Euro-Staaten. Demnach sollen die Euro-Länder einen Teil ihrer Schulden in einen gemeinsamen Fonds geben, um sie innerhalb von 25 Jahren abzubauen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin deutete aber nach dem Spitzengespräch an, dass seine Partei verhandlungsbereit sei: "Wenn jemand einen besseren Vorschlag hat, wie man Länder aus der Situation der Erpressung herausbringen kann, sind wir dafür offen."

Finanztransaktionsteuer bald auf dem Weg?

SPD und Grüne verlangen auch Wachstumsimpulse für die Krisenländer, was die Koalition grundsätzlich ähnlich sieht. In der Frage eines europäischen Investitionsprogramms sind aber noch viele Fragen offen. Die Bundesregierung hat ein Konzept vorgelegt, das den EU-Partnern auf dem Gipfel Ende Juni präsentiert werden soll. Es sieht Schritte gegen Jugendarbeitslosigkeit, schärfere Auflagen für die Finanzbranche und mehr öffentliche Investitionen auch über die Europäische Investitionsbank (EIB) vor.

Vor dem Treffen hatte die SPD darauf gedrängt, ein EU-Verfahren für die Finanztransaktionssteuer schnell einzuleiten. Möglichst noch unter der Ende Juni auslaufenden dänischen EU-Präsidentschaft solle förmlich das Scheitern der Bemühungen um eine Einigung auf eine EU-weite Finanzmarktsteuer festgestellt werden, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Erst dann wäre der Weg frei für eine Steuer im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit, an der sich nur neun Mitgliedsländer beteiligen müssen.

SPD-Troika reist nach Paris

Die Bundesregierung hatte zunächst erklärt, dass es unmöglich sei, eine solche Steuer noch in dieser Legislaturperiode einzuführen. Die EU-Kommission ist allerdings anderer Ansicht. Wenn mindestens neun Länder bis Juli einen Antrag stellten, könne die Einführung der Steuer bis Ende 2012 vereinbart werden, heißt es aus dem Umfeld von Steuerkommissar Algirdas Semeta. Erhoben werden könnte sie aber erst Anfang 2014, da umfangreiche Vorarbeiten nötig wären. Es gebe zudem noch viele "Unbekannte", wenn es darum gehe, die Einführung einer solchen Steuer im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit nur in einer kleineren Gruppe von Mitgliedsländern voranzutreiben, sagte eine Sprecherin Semetas.

Im Anchluss an das Treffen in Berlin, reiste die SPD-Troika nach Paris zu europa- und wirtschaftspolitischen Gesprächen mit Frankreichs neuem Premierminister Jean-Marc Ayrault. SPD-Chef Sigmar Gabriel, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück sollten im Anschluss auch von Staatschef François Hollande im Elysée-Palast empfangen werden. In der Euro-Krise dringen sowohl SPD als auch Hollande darauf, den europäischen Fiskalpakt um Wachstumsimpulse zu ergänzen.

Gabriel sagte nach dem Treffen mit Ayrault, beide Seiten seien in vielen Punkten nahe beieinander. Dabei nannte er nach Parteiangaben unter anderem die Positionen zur Finanztransaktionsteuer und zum Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Zuvor hatte er bereits versichert, es gehe bei den Gesprächen in Paris nicht darum, Parteipolitik zu organisieren.

Scharfe Kritik an den Gesprächen in Paris kam aus der Berliner Koalition. Dort hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erst am Vormittag mit der Opposition über deren Zustimmung zum Fiskalpakt und über die europäische Krisenpolitik beraten, wobei es noch nicht zu einer endgültigen Einigung kam. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hielt der SPD-Spitze vor, die Zustimmung zum Fiskalpakt "aus reinen parteitaktischen Gründen" zu verzögern.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte ebenfalls, die SPD solle ihre "Blockade" aufgeben. Die SPD müsse sich "endlich eindeutig zum deutschen Stabilitätskurs bekennen" und dürfe nicht das Spiel derjenigen in Europa mitspielen, "die nur an die deutsche Steuerkasse wollen".

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