Bürgerschaftswahl in Hamburg:Diese Kandidaten kämpfen um die Gunst der Hansestadt

Hamburg wählt eine neue Bürgerschaft. Der Wahlkampf ist vom Duell der SPD mit den Grünen geprägt. Aber auch bei anderen Parteien gibt es interessante Spitzenkandidaten. Ein Überblick.

Von Robin Hetzel

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Peter Tschentscher, SPD

Letzte Bürgerschaftssitzung vor der Wahl

Quelle: Christian Charisius / dpa

Seit dem Wechsel von Vorgänger Olaf Scholz in die Bundespolitik im März 2018 ist Peter Tschentscher Erster Bürgermeister in Hamburg. Aktuelle Umfragen bescheinigen ihm eine komfortable Führungsposition mit mehr als zehn Prozentpunkten Abstand zu den Grünen, dem bisherigen Koalitionspartner und Hauptkonkurrenten bei der anstehenden Wahl.

Der Wahlkampf lief für Tschentscher zunächst gut an. Zum Einstand tourte er durch die Stadt und machte sich bekannt. Sein Motto lautet dabei: "Die ganze Stadt im Blick". Er will den schwächelnden Hafen stärken, verspricht Velorouten - aber sagt auch: "Nur mit Radwegen kommen wir nicht durchs 21. Jahrhundert." Tschentscher und die SPD setzen auf Bus und Bahnen.

Nur wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl muss sich Tschentscher dann zu seiner Vergangenheit im Senat von Scholz rechtfertigen, in dem er sieben Jahre lang Finanzsenator war. Die Hamburger Finanzbehörde soll 2016 während seiner Amtszeit auf 47 Millionen Euro Steuereinnahmen von der Privatbank Warburg verzichtet haben. Als Vorsitz der Finanzbehörde hätte Tschentscher die Steuergelder vor der Verjährung eintreiben können, so der Vorwurf. Er streitet die Vorwürfe ab und betont, dass alles nach Recht und Gesetz geschehen sei.

SPD-Bundespolitiker hat der 54-Jährige zum Wahlkampf nicht eingeladen, um die Hamburger SPD möglichst unabhängig von der Bundespartei darzustellen. Der Oberarzt und habilitierte Labormediziner gilt als jemand, der einen pragmatischen Politikstil pflegt und Probleme ohne Aufregung löst.

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Katharina Fegebank, Die Grünen

Neuer Park für St. Pauli

Quelle: dpa

Die größte Konkurrentin des amtierenden Bürgermeisters ist zugleich seine Stellvertreterin - und Spitzenkandidatin der Grünen, Katharina Fegebank. Mit dem Wahlkampfspruch "Erste Frau, erste Grüne, erste Wahl" möchte die 42-Jährige nun zur Ersten Bürgermeisterin aufsteigen. Seit der Bürgerschaftswahl 2015 ist sie Wissenschaftssenatorin des rot-grünen Senats.

Im Wahlkampf wirbt Fegebank mit der "Science City" und der Universität Hamburg, die unter ihr zur Exzellenz-Uni wurde. Sie verspricht mehr Fahrräder, weniger Autos und Strom statt Diesel für Kreuzfahrtschiffe im Hafen. Fegebank sagt aber auch, dass man ohne Wirtschaftskompetenz in Hamburg keine Wahl gewinnen könne und trägt unter anderem die Elbvertiefung mit.

Eine Zeit lang lagen die Grünen laut Umfragen dicht hinter der SPD, doch zuletzt wuchs der Vorsprung der Sozialdemokraten. Dennoch wird es für die Grünen ein Wahlerfolg: Sie werden ihre Stimmen vermutlich verdoppeln können. In der Steuergeschenk-Affäre ihres Regierungspartners spricht Fegebank deutliche Worte. Sie fordert Tschentscher auf, den Bürgern zu erklären, warum er die Steuern nicht eingefordert habe.

Die Lehrertochter und Hobbyschwimmerin, die früher Sportjournalistin werden wollte, studierte Politik- und Europawissenschaften in Freiburg und Berlin. Altoberbürgermeister Ole von Beust, CDU, lobt die moderate Grüne: Sie sei kein Bürgerschreck, sondern ein offenherziger und gewinnender Mensch.

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Marcus Weinberg, CDU

Landesparteitag der CDU Hamburg

Quelle: Christian Charisius/dpa

Marcus Weinberg war ursprünglich gar nicht als CDU-Kandidat vorgesehen. Doch nachdem sich zwei CDU-Spitzenkandidaten zurückzogen, sprang Weinberg ein. Unter dem Motto "Für eine zusammenwachsende Stadt" hat er im Wahlkampf die Verkehrspolitik besonders hochgehangen. So möchte Weinberg eine neue Stadtbahn bauen. Außerdem spricht er über innere Sicherheit und setzt auf Wissenschaft und Bildung.

Allerdings ist er in Hamburg politisch nicht unbefleckt: Die Wahlniederlage bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2015 kostete ihn seinen Posten als Landeschef. Auch der jetzige Job als Spitzenkandidat scheint für Weinberg eine schwierige Mission zu sein. In aktuellen Umfragen liegt die CDU bei etwa 13 Prozent - noch niedriger als 2015. Der Mann aus dem liberalen Flügel gilt als anschlussfähig für mögliche Bündnisse mit der SPD und den Grünen.

Weinberg ist in Hamburg geboren, hat im Stadtstaat studiert und als Lehrer an verschiedenen Hamburger Schulen unterrichtet. Seit 2005 vertritt der 52-Jährige die Hansestadt als Abgeordneter im Bundestag und ist dort familienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.

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Cansu Özdemir, Die Linke

TV-Duell der Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl

Quelle: dpa

Eigentlich war Cansu Özdemirs Traumjob Lehrerin, doch über ein Studium der Politikwissenschaften kam sie in die Politik. Die Spitzenkandidatin der Linken spricht sich im Wahlkampf für die Bekämpfung von Armut, Wohnungsnot und Obdachlosigkeit aus. Zudem fordert sie eine autofreie Innenstadt und kostenlosen Nahverkehr ab 2025. Weil die Tochter einer kurdischen Familie Waffenlieferungen an die Türkei missbilligt, wird sie von türkischen Nationalisten bedroht.

Im Bürgerschaftswahlkampf konnte Özdemir auf prominente Unterstützung setzen. So kamen unter anderem Thüringens Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow und der Linken-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger zu ihren Wahlkampfveranstaltungen. Zu kämpfen hatte Özdemir mit einem 18-jährigen Jungpolitiker aus ihrer Partei, der bei Twitter den Klimawandel mit dem Holocaust verglich und damit für große Empörung sorgte. Die Spitzenkandidatin distanzierte sich von ihrem Parteikollegen.

Ihre Politikkarriere begann 2009 mit dem Parteieintritt bei den Linken. Seit neun Jahren ist sie Mitglied in der Bürgerschaft, seit fünf Jahren Fraktionsvorsitzende der Hamburger Linken. Die 31-Jährige ist in der Hansestadt geboren und in Altona aufgewachsen, wo sie noch heute lebt.

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Anna von Treuenfels-Frowein, FDP

FDP-Aktionstag in Hamburg

Quelle: dpa

Gegen besondere Umstände muss sich FDP-Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels-Frowein, 57, im Wahlkampf stemmen. Nach der Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten mit AfD-Stimmen in Thüringen sehen sich die Wahlkämpfer von Treuenfels-Frowein auf den Straßen Hamburgs Anfeindungen ausgesetzt. In aktuellen Umfragen erreicht die FDP genau fünf Prozent. Der Einzug in die Bürgerschaft ist ungewiss

Auch im einstündigen TV-Duell der vier Spitzenkandidaten der Oppositionsparteien wurde fast 20 Minuten über die Thüringer Geschehnisse diskutiert. Treuenfels-Frowein betonte immer wieder, dass sie das Verhalten der Thüringer FDP-Kollegen für falsch halte. Bei einer Parteiversammlung der Hamburger FDP versprach sie: "Wir geben nicht auf. Wir sind Optimisten."

In die Politik ist die Rechtsanwältin erst spät eingestiegen. Mit 46 Jahren trat sie der FDP bei, vor allem um gegen die Schulreform zu kämpfen, die die Grundschulzeit von vier auf sechs Jahre verlängern sollte. Die FDP warb damals als einzige Partei gegen die Reform - mit einer von Treuenfels-Frowein geleiteten Kampagne. Beim Volksentscheid 2010 setzten sich die Reformgegner durch. Die Bildungspolitik blieb Treuenfels-Froweins thematischer Schwerpunkt. Sie ist Mitbegründerin einer Elterninitiative und war in der Bürgerschaft zuletzt Sprecherin für Bildung und Justiz.

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Dirk Nockemann, AfD

AfD-Spitzenkandidat Dirk Nockemann

Quelle: dpa

Als Spitzenkandidat der AfD ist Dirk Nockemann ist in seinem Wahlkampf auf viel Widerspruch gestoßen. So beispielsweise bei einer Schüler-Debatte, wo der 61-Jährige als einziger Spitzenkandidat, der gegen eine Frauenquote und ein paritätisch besetztes Parlament ist, auf Ablehnung stieß. Die deutschlandweit bekannteste Szene seines Wahlkampfes hat Nockemann jedoch einer 90-jährigen SPD-Wählerin zu verdanken: Im Internet gab es tausende Klicks für ein Video, in dem die ältere Dame Nockemann und seiner Partei eine "unverschämte Frechheit" vorwirft. Die Partei verharmlose den Holocaust, sagt sie im Video, was sie grausam finde. Freunde ihrer Eltern seien im KZ Buchenwald gestorben.

Im Vergleich zu anderen Landesverbänden gilt die Hamburger AfD als eher gemäßigt. Dennoch versucht der Spitzenkandidat, mit Schimpftiraden auf ein vermeintliches "Meinungsdiktat" und "links-grüne Umverteilungsfantasien" auch radikalere AfD-Wähler abzuholen. Er wirbt für eine Verkehrspolitik "auch für Autofahrer, nicht nur für Radfahrer", mehr Sicherheit, bezahlbare Mieten.

Von 2003 bis 2004 war Nockemann, damals als Mitglied der rechtskonservativen Schill-Partei, Innensenator der CDU-geführten Regierung. Der Jurist ist seit 2017 Vorsitzender der Hamburger AfD und arbeitet als Abteilungsleiter in der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung.

© SZ.de/cck/jsa
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